Kampfläufer: Eine der seltsamsten Fortpflanzungsstrategien im Tierreich
Die prächtig gefiederten Kampfläufer (Philomachus pugnax) kann man vor allem in nordeuropäischen Gefilden beobachten oder weiter südlich, wenn sie zwischen Sommer- und Winterquartier migrieren. Die Männchen dieser Schnepfenvögel fallen durch ihren ausufernden, dunklen Federkragen auf, der bei den Balztanzritualen eine zentrale Rolle spielt. Allerdings haben nicht alle Männchen eine solche Ausstattung: Manche haben einen eher weißen Kragen, und manche Männchen sehen selbst noch auf den zweiten Blick aus wie ein Weibchen, ihnen fehlt das Merkmal ganz.
Die beiden Letzteren, die weißkragigen "Satellitenmännchen" und die weiblich aussehenden "Faeder" (nach einem friesischen Wort), spielen jeweils eine eigene Rolle im komplexen Paarungsgeschehen der Kampfläufer. Beide nehmen sie den Kampf mit den zahlenmäßig überlegenen Platzhähnen, den residenten Männchen, gar nicht erst auf. Während diese mitunter rabiat eine Tanzarena verteidigen, stehen die anderen als Zuschauer dabei. Um dennoch zum Zug zu kommen, versuchen Faeder in einem unbemerkten Moment das paarungsbereite Weibchen zu begatten. Das gelingt ihnen, weil sie in ihrem femininen Outfit unterhalb der Aufmerksamkeitsschwelle der residenten Männchen bleiben. Auch Satelliten erschleichen sich eine Kopulation, werden aber von den residenten Männchen nicht nur geduldet, sondern wohl auch aktiv zum Beisein am Tanzplatz ermutigt. In ihrer Gegenwart sind Weibchen anscheinend noch paarungsbereiter, womöglich weil ihnen der Vergleich mit den reizlosen Weißkragen ein dunkel gefiedertes Männchens umso attraktiver erscheinen lässt.
Diese komplexe Ménage à quatre hat einen klaren genetischen Hintergrund, fanden nun zwei Teams um Terry Burke von der University of Sheffield und Leif Andersson von der Universität Uppsala heraus. Ein "Supergen" ist schuld: Dieser rund 125 Gene lange Chromosomenabschnitt kehrte sich per Zufall vor etwa 3,8 Millionen Jahren in seiner Reihenfolge um – und erlaubte den Genen seitdem ein evolutionäres Eigenleben. Denn die umgekehrte Reihenfolge schützt die Gene vor der Vermischung durch Rekombination. Paarweise vorliegende Chromosomen setzen sich normalerweise neu zusammen, indem sie Strangabschnitte miteinander tauschen. Das funktioniert aber nur, wenn sie weit gehend identisch sind. Für das 125 Gene lange Supergen bedeutet dies, dass es nur im ganzen Block an die Nachkommen vererbt wird.
Mutationen im Supergen ändern Paarungsverhalten
Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich im Lauf der vergangenen Jahrmillionen im Supergen kleinere Mutationen ansammelten, die Aussehen und Paarungsverhalten der Faeder bedingen. Diese haben nämlich, wie die Teams herausfanden, jeweils eine Kopie dieses Supergens. Tiere mit zwei Kopien davon, bei denen also kein "ursprüngliches" Chromosom vorliegt, sind nicht lebensfähig.
Eine weitere Variante dieses Themas findet sich bei den Satellitenmännchen. Sie tragen eine Kopie des Supergens, bei dem durch ein Zufallsereignis vor ungefähr 500 000 Jahren ein Teil wieder in die Ausgangsreihenfolge wechselte. Tiere mit einer Kopie des "halben" Supergens werden zu Satelliten, jene ganz ohne Supergen sind die zahlenmäßig überlegenen residenten Männchen.
Insgesamt sehen sich die Forscher in der Wirkung des Supergens an ein Geschlechtschromosom erinnert. So gesehen wächst die Zahl der Geschlechter unter den Kampfläufern auf vier. Wieso diese genetische Vielfalt stabil ist, lässt sich noch nicht mit Sicherheit sagen. Sowohl Satelliten als auch Faeder bekommen pro Saison weniger Paarungschancen als die residenten Männchen. Infolgedessen sollten die beiden Varianten des Supergens vergleichsweise schnell aus dem Genpool geworfen werden, zumal das vom Typus "Faeder" für den Träger extrem nachteilig ist, wenn es doppelt vorliegt. Da es jedoch seit Millionen von Jahren existiert, muss die Fortpflanzungsstrategie von Faeder und Satellit am Ende doch noch einträglich sein – womöglich nicht auf eine konkrete Paarungssituation bezogen, sondern auf die lange Distanz: Vielleicht kommen sie am Anfang und Ende ihres Lebens häufiger zum Zug als residente Männchen, die dann entweder zu jung oder zu abgekämpft für die Balz sind.
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