Liebesbeziehungen: Männer haben mehr zu verlieren
In Filmen und Serien sind weibliche Singles oft auf der Suche nach der wahren Liebe, während Männer eher als die dargestellt werden, die sich nicht binden wollen. Doch befragt man Männer und Frauen anonym im echten Leben, zeigt sich ein ganz anderes Bild, das nicht unbedingt zu vorherrschenden Geschlechterstereotypen passt.
Iris Wahring von der Humboldt-Universität zu Berlin, Jeffry Simpson von der University of Minnesota in Minneapolis und Paul van Lange von der Freien Universität Amsterdam haben in einer kürzlich veröffentlichten Überblicksarbeit mehr als 50 psychologische oder soziologische Studien, die sich mit Geschlechtsunterschieden in heterosexuellen Partnerschaften befasst hatten, analysiert und daraus ein Modell entwickelt.
Unerwartete Geschlechtsunterschiede
Ihre Auswertung liefert vier wichtige, teils überraschende Erkenntnisse: »Männer sind offenbar tendenziell stärker darauf fokussiert, feste Beziehungen einzugehen«, erklärt die Sozialpsychologin und Studienautorin Iris Wahring. Sie sind zum Beispiel eher als Frauen der Meinung, ohne Partner unvollständig zu sein.
Sind Männer in einer gemischtgeschlechtlichen Partnerschaft, profitieren sie auch in vielerlei Hinsicht stärker von der Verbindung als Frauen, etwa in Bezug auf ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit. »Selbst die Lebenserwartung von Männern hängt stärker davon ab, ob sie in einer festen Beziehung leben, als das bei Frauen der Fall ist«, sagt Wahring.
»Feste Beziehungen sind für Männer psychologisch wichtiger als für Frauen«Iris Wahring, Sozialpsychologin
Darüber hinaus sind es eher die Frauen, die eine Beziehung beenden, während Männer stärker unter einer Trennung leiden. Sie fühlen sich beispielsweise nach dem Bruch häufiger einsam und können weniger das Positive daran erkennen als Frauen.
Männer sind emotional abhängiger
Die Psychologen gehen davon aus, dass die Unterschiede in erster Linie darauf zurückzuführen sind, dass Männer ihre Gefühle weniger mit anderen Menschen teilen. Schon kleine Kinder lernen, dass es für Mädchen üblicher und angemessener ist als für Jungen, Emotionen und Verletzlichkeiten zu zeigen, sagt Studienautor Paul van Lange. Solche ungünstigen sozialen Normen führen dazu, dass sich Jungen und Männer anderen gegenüber weniger öffnen. Daher erhalten sie außerhalb von romantischen Beziehungen weniger emotionalen Beistand – und haben bei einer Trennung mehr zu verlieren. In einer 2018 veröffentlichten Studie aus Großbritannien gaben 80 Prozent der Männer, aber nur 50 Prozent der Frauen an, ihr Partner sei ihre engste Vertrauensperson.
»Aus zahlreichen Studien wissen wir, dass Frauen typischerweise mehr emotionale Unterstützung von ihrem sozialen Umfeld erhalten als Männer. Daher sind heterosexuelle Männer stärker von ihrer festen Partnerin abhängig, um ihre emotionalen Bedürfnisse zu erfüllen, als heterosexuelle Frauen. Kurz gesagt, feste Beziehungen sind für Männer psychologisch wichtiger als für Frauen«, erklärt Iris Wahring.
Die Forschenden betonen, ihre Ergebnisse seien nicht unbedingt verallgemeinerbar und gälten womöglich nicht für Personen in homosexuellen Beziehungen oder anderen Kulturen. Darüber hinaus könnten sich soziale Normen ändern, wenn auch nur langsam. »Wenn sich die Gesellschaften so entwickeln, dass die Rollen im sozialen Leben weniger vom Geschlecht abhängen, hoffen wir, dass Männer ihre Gefühle offener ausdrücken und ihre Verletzlichkeit zeigen können. Dann wird ihr Bedürfnis nach Intimität und Unterstützung auch eher erfüllt werden.«
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