Direkt zum Inhalt

News: Eine Frage des richtigen Zeitpunkts

Wenn die ersten Zugvögel aus ihrem Winterquartier wieder bei uns eintreffen, steht der Frühling vor der Tür. Doch die globale Erwärmung sorgt dafür, dass diese beliebte Jahreszeit immer früher Einzug hält - nicht jedoch die Langstreckenflieger. So können sie zwar ihr Brutgeschäft passend zu den wärmeren Temperaturen vorverlegen, doch bleibt ihnen dann nicht genügend Zeit, sich zu erholen. Und auch das größte Futterangebot für die Jungen haben sie dann manchmal schon verpasst.
Der Trauerschnäpper (Ficedula hypoleuca) verbringt den Winter im sonnigen Afrika. Im Frühjahr macht er sich dann auf den Weg in seine europäische Heimat, um dort zu brüten und seinen Nachwuchs aufzuziehen. Seine Jungen verspeisen vor allem Insektenlarven, die gerade zu dieser Zeit schlüpfen. So passt eigentlich eines zum anderen.

Doch nun geraten sie in Schwierigkeiten. Denn die durchschnittlichen Frühlingstemperaturen in den Brutgebieten sind aufgrund der globalen Erwärmung in den letzten zwanzig Jahren gestiegen – in den Niederlanden beispielsweise um etwa drei Grad Celsius. Unter wärmeren Bedingungen schlüpfen die Insektenlarven allerdings entsprechend früher. Das ist soweit noch kein Problem: Die Vögel verlegten ihren Bruttermin einfach nach vorn, um sich daran anzupassen. Wie Christiaan Both von der University of Groningen und Marcel Visser vom Netherlands Institute of Ecology berichten, beginnen die Tiere inzwischen schon Anfang anstatt Mitte Mai zu brüten – durchschnittlich zehn Tage früher als noch 1980.

Ein Datum jedoch veränderten sie nicht: ihren Abflugtermin in Afrika. Er richtet sich nicht nach klimatischen Reizen, sondern beruht auf Signalen wie der Tageslänge oder inneren Rhythmen und bleibt daher von einer Veränderung der Umweltbedingung unbeeinflusst. So treffen die Vögel immer noch erst zwischen Mitte April und Mitte Mai in ihren Brutgebieten ein. Bisher blieb ihnen dann etwa drei Wochen Zeit, um sich von ihrer anstrengenden Reise zu erholen, jetzt jedoch müssen sich die erschöpften Tiere direkt ins Brutgeschäft stürzen. Und manche Nachzügler verpassen sogar das größte Futterangebot für ihre Nachkommen.

Auch andere Zugvögel könnten vor demselben Problem stehen, befürchtet Visser. Er vermutet, dass so die Klimaveränderung mit dafür verantwortlich sein könnte, dass die Populationen vieler Zugvögel in letzter Zeit abnehmen. Denn einige der erschöpften Tiere werden das anstrengende Brutgeschäft wohl selbst nicht überleben. Und selbst wenn sie erfolgreich Eier legen und Junge schlüpfen, wird das magere Futterangebot deren Anzahl noch verringern. Beunruhigt fasst Visser zusammen: "Wenn sie keinen Weg finden, ihr Ankunftsdatum vorzuverlegen, sitzen sie in der Tinte."

  • Quellen
Nature Science Update
Nature 411: 296–298 (2001)

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.