Supernovae: Vor dem großen Knall
Keine andere wiederkehrende Nova bricht so häufig aus wie M31N 2008-12a. In sieben Jahren, von 2008 bis 2015, konnten Astronomen das Objekt in der rund zwei Millionen Lichtjahre entfernten Andromedagalaxie (M31) sechs Mal aufleuchten sehen. Üblicherweise dauern die Ruhephasen bekannter wiederkehrender Novae Jahrzehnte. Nun fand ein Team um Martin Henze vom Institut de Ciències de l’Espai in Spanien auf Archivaufnahmen aus dem Jahr 2010 einen weiteren Ausbruch. Die Frequenz ist damit höher als bislang gedacht: Mehr als einmal pro Jahr leuchtet die Nova auf. M31N 2008-12a ist damit der heißeste Kandidat für eine Supernova des Typs Ia – und das in unserer unmittelbaren galaktischen Nachbarschaft.
Herzstück von M31N 2008-12a ist, wie bei allen wiederkehrenden Novae, ein Weißer Zwerg, also der ultrakompakte Rest eines ehemals sonnenähnlichen Sterns. Ein solcher Zwerg ist nicht viel größer als die Erde, kann aber mehr als die Masse der Sonne enthalten. Umkreist wird der Zwergstern in M31N 2008-12a von einem Begleiter, dabei handelt es sich womöglich um einen sonnenähnlichen Stern oder einen Riesenstern. Der Paartanz ist so eng, dass Materie des Gefährten über eine Akkretionsscheibe auf den Zwergstern übertritt. Dieser wächst, der Begleiter schrumpft, ein stellarer Kannibalismus, der von Zeit zu Zeit durch heftige Explosionen auf der Oberfläche des Zwergs unterbrochen wird – immer dann, wenn Astronomen ein Aufflammen der Nova registrieren. Während dieser Ausbrüche wird ein Teil des aufgesammelten Materials wieder in das umgebende All gesprengt, während sich der Rest auf der Oberfläche des Weißen Zwerg ablagert. Dieses Spiel soll eines Tages abrupt enden – dann nämlich, wenn der Zwerg eine Masse von 1,43 Sonnenmassen erreicht. Bei diesem als Chandrasekhar-Grenzmasse bekannten Wert ist der Zwergstern instabil und zerstört sich in einer gewaltigen Supernovaexplosion. Das finale Feuerwerk wird weit spektakulärer sein als alle vorherigen Novaausbrüche: Für einige Tage bis Wochen leuchtet M31N 2008-12a heller als alle Sterne der Andromedagalaxie zusammen.
Die Supernova von M31N 2008-12a dürfte eine der hellsten von der Erde aus sichtbaren werden, denn mit rund zwei Millionen Lichtjahren Entfernung ist die Andromedagalaxie eine der nächstgelegenen Spiralgalaxien. Eine Supernovaexplosion gleichen Typs in der 21 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie Messier 101 im August 2011 war für geübte Sterngucker schon mit einfachen Ferngläsern zu sehen. Für die helle Supernova des Jahres 1987 brauchte man gar kein optisches Hilfsmittel – sie ereignete sich in der nur 160 000 Lichtjahre entfernten Großen Magellanschen Wolke und war als heller Stern zu sehen. Die derzeitigen Novaausbrüche von M31N 2008-12a dauern nur wenige Tage und sind lichtschwach: Mit einer Helligkeit von 17 bis 18 mag können sie nur von gut ausgestatteten Amateurastronomen beobachtet werden.
Ende September 2015 rechnen Henze und seine Kollegen mit dem nächsten Ausbruch der Nova. Sie schließen das aus den bisherigen Sichtungen im optischen Spektralbereich seit 2008, sowie aus Beobachtung im Röntgenlicht, die bis ins Jahr 1992 zurückreichen. Wann es zur finalen Supernova kommt, wissen die Forscher aber nicht. Doch je schneller die Novaeruptionen aufeinander folgen, desto schneller fließt die Materie aus der Akkretionsscheibe auf den Weißen Zwerg. Das wiederum bedeutet, dass der Zwerg in M31N 2008-12a über eine starke Gravitation verfügt und damit sehr schwer ist – seine Masse liegt womöglich knapp unter der Chandrasekhar-Grenzmasse. Die Supernovaexplosion steht als in astronomischen Maßstäben kurz bevor. "Astronomische Maßstäbe" heißt: Bis zum großen Knall in der Andromeda können noch Monate vergehen – oder Jahrtausende.
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