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News: Eine Lösung für die Schrift der Osterinseln?

Seit 1864 Hunderte von Holztafeln bei den Bewohnern der Osterinsel im Pazifik entdeckt wurden, die schon damals keiner der Insulaner mehr lesen konnte, wird über die auf ihnen befindlichen Schriftzeichen oder Glyphen (das Rongorongo) gerätselt. In 130 Jahren Forschung ist dessen Deutung kaum vorangekommen, wenn in der Vergangen-heit auch immer wieder vermeintlich sensationelle Erfolge vermeldet wurden. Ein Hobbyforscher glaubt nun das Rätsel gelöst zu haben: Die Symbole stehen für Sternbilder als Navigationshilfe.
Rund 20 der Rongorongo-Tafeln mit etwa 12 000 Zeichen sind, verstreut über Museen der ganzen Welt, heute noch erhalten. Eine einzige der wenigen noch verbliebenen Holztafeln konnte zwar relativ sicher als Mondkalender interpretiert werden – bei den anderen reichen die Interpretationen jedoch von Rhythmusfolgen für religiöse Gesänge über Schöpfungsmythen bis zur angeblichen Ähnlichkeit mit Schriften früher Hochkulturen anderer Kontinente. Sogar Außerirdische mußten herhalten – dieselben, die angeblich auch für den Bau der großen, aufs Meer hinausschauenden Köpfe der Osterinseln verantwortlich waren.

In dieser Diskussion hat sich nun auch ein Stuttgarter Grafiker und Hobby-Rongorongologe mit einer neuen, radikalen Hypothese zu Wort gemeldet: Michael Dietrich kam nach zwölfjährigem Studium des Rongorongo zu dem Schluß, daß es sich bei den mysteriösen Zeichen nicht um eine Schrift, sondern um astronomische Anweisungen einer Navigation auf hoher See handeln muß.

Beim Blick vom heimischen Balkon auf die Gürtelsterne des Orion sei ihm der Geistesblitz gekommen. Die "drei in einer Reihe" erkannte er in den Rongorongo-Zeichen wieder, und gemäß seinem Motto: "Nichts ist je es selbst" wurde ihm plötzlich klar, daß die oft figürlichen Symbole des Rongorongo nicht unbedingt für reale Tiere stehen mußten, sondern ebenso wie bei unserem Tierkreis für himmlische Konstellationen und Sterne stehen konnten. Ausgehend vom Orion fand Dietrich weitere Sterne und Konstellationen dort, wo sie hingehörten: die Schildkröte – das Sternbild Orion, der "Große Hai" – nichts anderes als die Milchstraße. Eine ganz neue Deutung des Rongorongo war geboren.

Die Navigation der Südseeinsulaner folgte Dietrich zufolge jedoch ganz anderen Konzepten als heute üblich: So gab es zum Beispiel keine Begriffe für Länge und Breite, wohl aber Himmelsrichtungen. Die Muster, in denen die Zeichen des Rongorongo auftreten, scheinen im Kontext konkrete Anweisungen für das Fortkommen eines Bootes auf hoher See mitten in der Nacht zu enthalten. Nach Dietrichs Hypothese handelt es sich bei den Holztafeln mithin um Niederschriften des Erfahrungsschatzes von Navigationslehrern, vermutlich der Maori aus Neuseeland, da in deren Sprache die Namen der Himmelsobjekte am besten zusammenpassen.

Erste Ergebnisse seiner Entzifferungsarbeit sollen Anfang April in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift der Deutsch-Pazifischen Gesellschaft veröffentlicht werden. Um die Symbolfolgen der Tafeln im Detail entziffern zu können, benötigt Dietrich jedoch mehrere hundert Stunden Zeit für Experimente in einem Planetarium – und die hat ihm bislang noch niemand zugestanden.

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