Sozialverhalten: Eine moralische Vollmacht
Jeden Tag eine gute Tat – das wissen schon die Pfadfinder. Doch zu viel des Guten kann auch schaden: Wer glaubt, sich ethisch korrekt verhalten zu haben, offenbart anschließend mitunter weniger angenehme Charakterzüge. Selbst bei so einfachen Dingen wie Essen kann sich diese Neigung zeigen, wie Kedall Eskine von der Loyola University New Orleans herausfand.
Der Psychologe präsentierte seinen 62 Versuchspersonen zunächst Bilder von Nahrungsmitteln. Diese trugen entweder allesamt ein Biosiegel, oder es handelte sich um Süßigkeiten oder um neutrale Produkte wie Reis, Senf oder Bohnen. Danach lasen die Probanden Geschichten über Menschen, die sich unmoralisch verhielten, etwa über einen Mann, der seinen toten Hund aß, oder über einen Ladendieb. Die Testpersonen sollten die moralische Verwerflichkeit auf einer Skala einschätzen.
Anschließend fragte der Forscher scheinbar beiläufig, ob sie noch Zeit hätten, an einer weiteren Studie ohne Entlohnung teilzunehmen. Die Frage war allerdings fingiert: Der Wissenschaftler wertete die Antwort der Probanden lediglich als Maß für ihr soziales Verhalten.
Die Hilfsbereitschaft hing von dem zuvor betrachteten Nahrungsmitteln ab: Wer mit Bioprodukten konfrontiert worden war, zeigte sich weniger bereit, seine Zeit zu opfern. Auch die moralischen Urteile fielen härter aus. Dieses Verhalten hing nicht davon ab, was die Probanden grundsätzlich von Bionahrungsmitteln hielten.
Allein die Betrachtung des Bioessens, so schlussfolgert Eskine, lässt uns moralisch integrer fühlen und mindert damit unsere altruistische Neigung. Anscheinend führen wir in unseren Köpfen eine Art Moralkonto: Jede gute Handlung erzeugt hier ein Plus und rechtfertigt ein nachfolgendes weniger soziales Verhalten.
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