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News: Eine neue Art der Supraleitung

Metalle können unterhalb einer bestimmten "Sprungtemperatur" ihren elektrischen Widerstand vollständig verlieren und zu Supraleitern werden. Dazu müssen die Elektronen ihre gegenseitige Abstoßung überwinden und sich zu Paaren binden. Bisher kannten Forscher zwei Mechanismen, durch die solche Elektronenpaare entstehen. Einen dritten, bisher unbekannten Weg zur Paarbildung haben jetzt deutsche und japanische Wissenschaftler für nichtkonventionelle Supraleiter beschrieben. Die Ursache für diesen Prozess ist der Austausch von magnetischen Exzitonen, also wellenartigen Kristallfeld-Anregungen.
Die Supraleitung als ein auch technisch bedeutendes Phänomen zieht seit ihrer Entdeckung zu Beginn des 20. Jahrhunderts immer wieder die Aufmerksamkeit der Physiker auf sich – zuletzt vor wenigen Wochen nach der Entdeckung eines sehr einfachen Magnesium-Bor-Supraleiters mit einer erstaunlich hohen Sprungtemperatur von 39 Kelvin. Supraleitung tritt ein, wenn die Elektronen in einem Material bei tieferen Temperaturen Paare bilden und ohne Widerstand fließen. Dieser Zustand wirft für die Forschung zwei grundsätzliche Fragen auf: Welche physikalischen Kräfte ermöglichen es den Elektronen, ihre Abstoßung zu überwinden? Welchen Drehimpuls haben diese Elektronenpaare? Letzteres ist wichtig für die thermodynamischen Eigenschaften bei tiefen Temperaturen.

Bisher kannten die Wissenschaftler zwei Arten von Bindungsmechanismen zwischen Elektronen. In gewöhnlichen intermetallischen Supraleitern können zwei Elektronen über den Austausch eines Phonons (einer Schwingung des Kristallgitters der Atome) binden, also einen Zustand tiefster Energie erreichen. In diesem Fall haben die Elektronenpaare immer den Drehimpuls Null. Verbindet man einen derartigen Supraleiter über eine isolierende dünne Schicht mit einem Normalleiter und legt eine elektrische Spannung an, so fließt durch die dünne Schicht ein "Tunnelstrom". Dieser Strom ist spannungsabhängig und gibt Auskunft über das Spektrum der Gitterschwingungen, die zur Paarbildung der Elektronen führen. Dieses Spektrum ist auch aus unabhängigen Neutronenstreuexperimenten bekannt. Eine Übereinstimmung beider Spektren ermöglicht die eindeutige Identifikation der Paarbildung durch Gitterschwingungen.

In der zweiten Klasse von Supraleitern, zu denen auch Übergangsmetalle mit so genannten 5f-Elektronen gehören, bilden sich die Paare aus "schweren Elektronen" durch den Austausch von Fluktuationen der magnetischen Momente der Leitungselektronen. Diese magnetischen Fluktuationen sind – im Gegensatz zu Gitterschwingungen bei gewöhnlichen Supraleitern – stark überdämpft und können sich nicht wie diese frei ausbreiten. Die hierbei entstehenden Elektronenpaare haben zumeist einen endlichen Drehimpuls. Dieser Bindungsmechanismus war bis heute allerdings nicht direkt nachweisbar, da es nicht gelungen war, an diesen Supraleitern Tunnelstromexperimente vorzunehmen, und diese dann – wie bei gewöhnlichen Supraleitern – mit Neutronenstreuexperimenten zu vergleichen.

Ein deutsch-japanisches Forscherteam, darunter auch Wissenschaftler des Max-Planck-Institutes für chemische Physik fester Stoffe, ist es nun gelungen, bei einem Supraleiter mit "schweren Elektronen" (der Verbindung UPd2Al3) hoch auflösende Neutronenstreuexperimente durchzuführen und diese mit bereits vorliegenden Ergebnissen aus Tunnelstromexperimenten zu vergleichen. UPd2Al3 gehört zu einer Handvoll so genannter Schwere-Fermionen-Supraleiter, in denen Antiferromagnetismus (eine Form des Magnetismus) und Supraleitung nebeneinander bestehen können. Zu ihrer Überraschung stellten die Forscher fest, dass die Supraleitung in diesem Material offenbar durch einen bisher unbekannten Mechanismus verursacht wird.

Dieser neue Mechanismus der Supraleitung beruht auf dem dualen Charakter der 5f-Elektronen von UPd2Al3: Zwei der drei Elektronen sitzen fest an ihrem Uran-Atom. Der Grundzustand beider Elektronen ist vom ersten angeregten Zustand durch eine feste Kristallfeld-Anregungsenergie getrennt. Das dritte 5f-Elektron bewegt sich frei durch den Kristall und führt zur elektrischen Leitfähigkeit. Aufgrund der Wechselwirkung zwischen den magnetischen Momenten der beiden festsitzenden 5f-Elektronen ist UPd2Al3 unterhalb einer Temperatur von 14,2 Kelvin magnetisch geordnet. Und aus demselben Grund entsteht aus der Kristallfeld-Anregung ein breites Band von magnetischen Exziton-Anregungen, das bei einer Energie von etwa 1 Millielektronenvolt beginnt.

In den Neutronenstreuexperimenten ist es nun gelungen, diese wellenartigen Anregungen der lokalisierten 5f-Elektronen nachzuweisen und zu zeigen, dass sie sehr stark mit den supraleitenden 5f-Leitungselektronen in Wechselwirkung treten. Die Energie dieser Anregungen konnte als Funktion ihrer Wellenzahl gemessen werden. Dabei stellte sich heraus, dass bei derselben Energie das Spektrum von UPd2Al3 im Tunnelstromexperiment charakteristische Strukturen aufweist. Da diese Strukturen direkt mit den Trägern der Bindungskräfte zwischen den supraleitenden Elektronen zusammenhängen, kommen die Forscher zu der Schlussfolgerung, dass die Paarbindung der Elektronen in supraleitendem UPd2Al3 durch den Austausch von magnetischen Exzitonen verursacht wird.

Diese Ergebnisse sind von grundlegender Bedeutung für die Supraleiter-Forschung: Erstmals wurde ein Material vorgestellt, in dem magnetisch vermittelte Elektronenpaarung dieselbe Rolle spielt wie die Phonon-vermittelte Elektronenpaarung in konventionellen Supraleitern. Peter Thalmeier, Mitglied der Arbeitsgruppe, erläutert: "Dieser neuartige Mechanismus der Supraleitung kommt zu den beiden bereits bekannten hinzu. Jetzt muss noch eingehend untersucht werden, welcher Drehimpuls der supraleitenden Elektronenpaare für diesen neuen Mechanismus realisiert ist." Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass dieser Mechanismus der Supraleitung auch bei anderen Materialien mit schweren Elektronen eine Rolle spielen könnte. Um das nachzuweisen, müsste es aber auch bei diesen Supraleitern erst gelingen, Tunnelstromexperimente durchzuführen und mit Messergebnissen aus der Neutronenstreuung zu vergleichen.

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