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News: Eine neue Aufgabe des Alzheimer-Proteins

Das kennzeichnende Merkmal der Alzheimer-Krankheit sind die gefährlichen beta-Amyloid-Ablagerungen im Gehirn, die bei den Betroffenen zunehmend zu verminderten Gehirnleistungen führen. Sie sind die Folge eines Fragments des Vorläuferproteins von beta-Amyloid. Die natürliche Funktion eines weiteren Fragmentes, das in der Zellmembran verweilt, ist dagegen eine ganz andere: Es schaltet in Verbindung mit Transkriptionsfaktoren das Ablesen bestimmter Geninformationen im Zellkern an. Ist Alzheimer nur eine Überaktion eigentlich lebenswichtiger Zellprozesse?
Bevor sich die mikroskopisch sichtbaren Ablagerungen im Gehirn von Alzheimer-Patienten bilden können, muss das so genannte beta-Amyloid-Vorläuferproteins (APP) gespalten werden. Dabei entstehen drei Proteinfragmente, von denen sich zwei außerhalb der Zelle ansammeln. Die eine Gruppe bilden die so genannten beta-Amyloid-Peptide, die sich als Plaques zusammenlagern und in ihrer hohen Konzentration Nervengewebe zerstören, mit den bekannten degenerativen Krankheitserscheinungen der Alzheimer-Krankheit.

Neben diesen Proteinfragmenten bleibt aber auch ein Rest des ehemaligen Proteins in der Zellmembran sitzen und weist mit einem Schwanz in Richtung Zellinneres. Dieses Überbleibsel scheint nicht einfach eine sinnlose Laune der Natur zu sein, sondern könnte auch im natürlichen Zellablauf eine entscheidende Rolle übernehmen. Auf den Gedanken, dass der kurze Schwanz des APP möglicherweise Gene im Zellkern anschalten könnte, kamen Thomas Südhof vom Howard Hughes Medical Institute und sein Kollege Xinwei Cao vom Southwestern Medical Center der University of Texas durch eine Sequenzähnlichkeit mit einem bestimmten Fliegenprotein. Denn APP ist dem Drosophila-Gen notch so ähnlich, dass sie nicht an einen Zufall glauben wollten.

Das Protein Notch aktiviert bei den Fliegen das Abschreiben spezieller Genabschnitte – die so genannte Transkription – in transportable RNA-Moleküle, die ihrerseits als Vorlage zur Bildung von Proteinen herhalten. Ob der kurze Schwanz des APP-Restes auch in dieser Richtung aktiv sein könnte, untersuchten die Wissenschaftler, indem sie zwei Bindungsstellen für DNA in das Protein einbauten, die wiederum andere, so genannte Indikatorgene anschalten und so das Anheften der DNA anzeigen. Dabei brachten die Forscher die Bindungsstellen so in das Vorläuferprotein ein, dass sie nach der Spaltung des Gesamtproteins am kurzen Schwanzfragment bleiben sollten. Wäre das Schwanzsegment dann in die DNA-Transkriptionsmaschinerie integriert, wäre dies deutlich nachweisbar. Doch zuerst blieb der Erfolg aus.

Statt sich mit diesem Negativergebnis zufrieden zu geben, fügten die Wissenschaftler etliche mögliche Bindungspartner zum Gemisch und hatten Erfolg. In Anwesenheit des Faktors Fe65 zeigte sich eine zweite Bindungsstelle am APP, die von einem zweiten Protein namens Tip60 besetzt wurde. Alle drei Komponenten formten einen stabilen Komplex, der an der Transkription regen Anteil nahm. Seine Form veränderte in diesem Prozess nur Tip60, während die beiden restlichen Komplexbestandteile unverändert blieben. Tip60 aber ist als Transkriptionsfaktor bekannt, und somit erlangt das membrangebundene Proteinfragment von APP eine recht erstaunliche Funktion als Aktivator der Transkription.

Sollten sich die in Zellkultur durchgeführten Studien auch beim Menschen als relevant herausstellen, müssten die zur Zeit angestrebten Therapien von Alzheimer neu überdacht werden. Denn diese bestehen in der Hemmung der Spaltung von APP. Ist ein Spaltprodukt allerdings Teil der Transkription, könnten unerwartete Nebeneffekte auftreten und so ein empfindliches System auf anderem Wege stören.

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