News: Eine neue Falle für Atome
Vor etwa einem Jahr gelang es Wissenschaftlern am Massachusetts Institute of Technology (MIT), einen kohärenten Atomstrahl aus einem Bose-Einstein-Kondensat heraus zu erzeugen. Für derartige Atomlaser gibt es großen Bedarf in der Grundlagen- und angewandten Forschung. Mit ihnen könnten zum Beispiel einzelne Atome präzise beeinflußt und auf Oberflächen positioniert werden.
Ein Haupthindernisgrund für exakte Messungen und Manipulationen des Kondensats waren die magnetischen Felder, mit denen die Materie von den Wänden ihres Behälters isoliert wurde. "Solche magnetischen Felder beeinflussen die Bewegungen der Atome und interferieren mit ultrapräzisen Manipulationsversuchen", erläutert Wolfgang Ketterle vom MIT.
Doch diese Hürde ist jetzt überwunden. Ketterles Team ist es gelungen, ein Bose-Einstein-Kondensat unter Verwendung von Licht anstelle magnetischer Felder herzustellen (Physical Review Letters vom 9. März 1998). Schlüssel zum Erfolg war ein Infrarot-Laser, der das Kondensat in seinen Brennpunkt "sog". "Das [elektromagnetische] Feld des Lasers polarisiert die Atome, indem es deren positive und negative Ladung ein winziges Stück trennt, wodurch ein elektrischer Dipol entsteht, der im wechselnden elektrischen Feld des Laserstrahls gefangen wird", sagt Ketterle.
Das Ereignis war für die Forscher selbst eine Überraschung. "Wir erwarteten, daß der Laserstrahl die ultrakalten Atome erwärmen und den Kondensatzustand zerstören würde – aber nichts passierte. Das Kondensat überlebte die Prozedur", erzählt der Physiker Stamper-Kurn. Das stand im Widerspruch zu früheren Arbeiten zum optischen Einfangen von ultrakalten Atomen. Damals wurde die Probe stark erhitzt durch unvermeidbare Schwankungen des Laserstrahls, Fluktuationen der Lichtintensität sowie spontane Streuung von Photonen. Diesmal war das Kondensat allerdings so kalt, daß die winzige Laserintensität von wenigen Milliwatt ausreichte, um es einzufangen und nur minimal zu erhitzen.
Diese neue "Atomfalle" realisiert die Idee einer optischen Pinzette für das Bose-Einstein-Kondensat, mit der die Probe nach Belieben hin und her bewegt werden kann. Und sie ermöglicht den Einsatz von magnetischen Feldern zur Untersuchung, nicht zum Einfangen, des Kondensats.
Durch die neue experimentelle Freiheit erzielten die Wissenschaftler vom MIT im November 1997 den ersten Nachweis der Feshbach Resonanz (Nature vom 12. März 1998).
Wenn zwei Atome miteinander kollidieren, "berühren" sie sich für gewöhnlich kurz und trennen sich sofort wieder. Bei einer bestimmten magnetischen Feldstärke bleiben die Atome jedoch aneinander "haften" – sie bilden vorübergehend ein Molekül aus. Dieser Effekt wurde 1962 von Professor Feshbach in ähnlicher Weise für Kernreaktionen diskutiert, und eine niederländische Arbeitsgruppe sagte ihn für ultrakalte Atome voraus.
Nach Ketterle haben die Atomphysiker angestrengt versucht, den genannten Effekt nachzuweisen, da er die Eigenschaften eines Bose-Einstein-Kondensats drastisch ändert. So stiegen die Kräfte zwischen den Atomen auf das Zehnfache an, wenn die Resonanzbedingungen gegeben waren. Das macht den Physikern Mut für neue Experimente: "Wir sollten in der Lage sein, die Kräfte zwischen den Atomen stark oder schwach, anziehend oder abstoßend zu machen, einzig durch winzige Änderungen des magnetischen Feldes. Das ist die absolute Quantenkontrolle einer makroskopischen Probe von Atomen."
Siehe auch
- Spektrum der Wissenschaft 12/96, Seite 16
"Vom Bose-Einstein-Kondensat zum Atomlaser"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich) - Spektrum Ticker vom 7.1.1998
"Das Geheimnis des superfluiden Heliums"
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