Isomerie: Eine neue Klasse molekularer Zwillinge
Viele Moleküle kommen nicht einsam auf die Welt. Sie haben Isomere, chemische Geschwister, die sich – das bekannteste Beispiel – zueinander verhalten wie Bild und Spiegelbild oder sich in einem anderen Detail unterscheiden. Eine neue Variante dieser besonders in der Chemie des Lebens entscheidenden Asymmetrie hat nun anscheinend eine Arbeitsgruppe um Maxwell J. Crossley von der University of Sydney konstruiert. Wie das Team in »Nature Chemistry« berichtet, erzeugten sie Zwillingsmoleküle, die zu keiner der bisher bekannten Isomerenklassen gehören. Die Substanz besteht aus einem Ring, den eine Brücke aus drei Atomen überspannt – und diese Brücke kann entweder nach oben aus dem Ring herausragen oder nach unten. Die Arbeitsgruppe bezeichnet die so entdeckte neue Klasse als »Akamptisomere«, nach dem griechischen Wort für unflexibel.
Die Bezeichnung basiert auf der Tatsache, dass man die beiden Formen nur beobachten kann, wenn man so eine Dreierbrücke quasi einsperrt. Ein normales Molekül rotiert einfach nur um eine seiner Bindungen und ist dann sein eigenes Akamptisomer – dieser Vorgang ist aber so schnell, dass man beide Formen nicht unterscheiden kann. Crossley und sein Team fanden allerdings einen Weg, so ein Ensemble an der Rotation zu hindern. Dazu zwängten sie Sauerstoff und zwei Boratome in das Innere eines Porphyrinrings. Dort ist es schlicht zu eng, als dass die Brücke aus drei Atomen einfach umklappen könnte. So erzeugte das Team zwei Varianten des gleichen Stoffs, in denen das zentrale Sauerstoffatom in jeweils die entgegengesetzte Richtung herausragt.
Die Entdeckung erscheint vorerst als rein akademische Feinheit ohne praktische Bedeutung, doch die Gruppe hofft, dass die Akamptisomerie irgendwann für die Medikamentenentwicklung eine Rolle spielen. Das ist immerhin nicht komplett abwegig. Die Isomere asymmetrischer Verbindungen spielen besonders in der Biochemie eine große Rolle: Das Leben selbst ist chemisch asymmetrisch. Die Moleküle, aus denen das Erbgut oder Proteine Bestehen, kommen oft in spiegelbildlichen Varianten vor, und nur eine von ihnen ist die richtige. Auch Fettsäuren können entweder gerade oder geknickt sein – mit enormen Auswirkungen auf die Funktion. Abgesehen davon lässt sich in den meisten Fällen nicht vorhersehen, welche praktische Bedeutung eine Entdeckung in Zukunft bekommt.
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