News: Eine optische Pinzette
Bei kleiner Lichtleistung funktioniert diese Methode zur Beobachtung einzelner Atome am besten, da mit wachsender Leistung die Wahrscheinlichkeit ansteigt, daß das Atom ein Lichtquant absorbiert und dabei in ein angeregtes Energieniveau übergeht. In diesem Zustand absorbiert das Atom nicht mehr und der Lichtstrahl wird nicht weiter abgeschwächt. Um die unerwünschte Anregung des Atoms zu vermeiden, wird die Leistung des Lichtstrahls so weit verringert, daß sich zu jedem Zeitpunkt höchstens ein einzelnes Lichtquant im Resonator befindet. In diesem Fall kann das Atom zwar immer noch das Lichtquant absorbieren und in einen angeregten Zustand übergehen – aber das Licht ist dann weg. Dieser Effekt läßt sich leicht nachweisen und zur Beobachtung einzelner Atome nutzen.
Wenn der Abstand der beiden Spiegel sehr klein ist, strahlt das Atom die aufgenommene Energie wieder in den Resonator ab. Es kommt dann zu einem periodischen Austausch von Energie zwischen dem Atom und dem Lichtfeld. Solch ein oszillierender Energieaustausch zwischen zwei gekoppelten Systemen ist grundsätzlich nichts Neues. Er ist zum Beispiel für die chemische Bindung zwischen ungeladenen Atomen verantwortlich. Diese Bindung kommt dadurch zustande, daß die Elektronen von dem einen Atom zum anderen springen können und so die Atome wie Klebstoff zusammenhalten. Im Fall des Atoms und des Lichtquants kann sich ebenfalls ein Molekül mit einem gebundenen Zustand bilden. Das bedeutet, daß das Atom vom Lichtquant wie von einer optischen Pinzette zwischen den Spiegeln festgehalten wird. Dieser gebundene Zustand zerfällt erst dann, wenn das Lichtquant von einem der beiden Spiegel nicht mehr reflektiert wird. Spiegelverluste begrenzen also die Lebensdauer des Moleküls. Um den Verlustprozeß zu kompensieren, müssen von außen immer wieder neue Lichtquanten in den Resonator eingestrahlt werden.
Lange Zeit war nicht klar, ob es dieses exotische Molekül überhaupt geben kann. Denn die Bindungsenergie ist so klein, daß schon die Bewegungsenergie eines Atoms bei Zimmertemperatur ausreicht, um das Molekül zu zerstören. Trotzdem ist es den Forschern Pepijn Pinkse, Thomas Fischer, Peter Maunz und Gerhard Rempe am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching jetzt erstmals gelungen, dieses neuartige Molekül im Labor herzustellen (Nature vom 23. März 2000). Die Wissenschaftler haben dazu einen atomaren Springbrunnen aufgebaut, bei dem Atome zuerst mit Lichtdruck auf eine sehr tiefe Temperatur gekühlt werden. Anschließend werden sie der Schwerkraft entgegen nach oben geworfen. Am höchsten Punkt der Flugbahn, wo die Atome umkehren und deshalb sehr langsam sind, befindet sich der Resonator. Er besteht aus zwei Spiegeln, die ein Reflektivität von mehr als 99,999 Prozent haben. Licht wird dazwischen mehr als 100 000mal hin und her reflektiert. Der Spiegelabstand beträgt etwa 100 Mikrometer. Das Experiment läuft so ab, daß mit einem extrem schwachen Lichtstrahl, der nacheinander durch beide Spiegel läuft, die Ankunft eines Atoms registriert wird. In dem Moment, in dem sich das Atom in der Mitte zwischen den Spiegeln befindet, wird die Leistung des Lichtstrahls so weit erhöht, bis sich ein Lichtquant im Resonator befindet. Dieses Hochschalten der Lichtleistung ist nötig, um das Atom einzufangen. Es verhält sich dann ähnlich wie eine Murmel. Wenn sie in eine Schüssel hineinrollt und man verhindern möchte, daß sie auf der anderen Seite über den Rand herausrollt, muß man die Wände in dem Moment erhöhen, in dem sich die Murmel am tiefsten Punkt des Gefäßes befindet. Sie ist dann gefangen und rollt in der Schüssel umher. Auch das Atom, das mit einzelnen Lichtquanten gefangen wurde, sitzt nicht still. Der regelmäßige Energieaustausch zwischen dem Atom und dem Lichtfeld führt zu einer periodischen Bewegung. Die Wissenschaftler konnten diese Bewegung im Experiment kontinuierlich in Echtzeit beobachten.
Das System ist ideal dazu geeignet, fundamentale Fragestellungen der Wechselwirkung von Licht und Materie zu erforschen. Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich in der Informationsverarbeitung mit einzelnen Quanten. In dem neuen System ist die Licht-Materie-Wechselwirkung so stark, daß es möglich sein sollte, eine Photonenpistole zu realisieren. Dabei würden einzelnen Lichtquanten zu einem vom Benutzer festgelegten Zeitpunkt in eine bestimmte Richtung ausgesandt. Eine solche Lichtquelle wäre neu und besonders für die Übertragung einzelner Quantenbits in einem künftigen Netzwerk von Quantencomputern interessant.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 20.7.1999
"Photonenzählen für Fortgeschrittene"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 20.4.1999
"Aus einem Springbrunnen die Zeit schöpfen"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Brennpunkt-Thema vom 2.2.1999
"https://www.spektrum.de/PhotonischeRechner.html"
Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) ist eine vorwiegend von Bund und Ländern finanzierte Einrichtung der Grundlagenforschung. Sie betreibt rund achtzig Max-Planck-Institute.
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