Eine Portion Forschung: Umami, die Essenz des würzigen Geschmacks
Schmecken ermöglicht Genuss. Zu den klassischen Grundgeschmacksrichtungen zählen süß, sauer, salzig und bitter. Doch im Jahr 1908 entdeckte der Chemiker Kikunae Ikeda von der Kaiserlichen Universität Tokio, dass Mononatriumglutamat für einen Geschmack verantwortlich ist, der sich von den vieren unterscheidet. Ikeda fand die verantwortliche Verbindung in der Kombu-Alge, nannte sie umami – »lecker« auf Japanisch – und ließ sie patentieren. Schon ein Jahr später wurde Mononatriumglutamat unter dem Markennamen Aji-No-Moto vermarktet, was so viel bedeutet wie »die Essenz des Geschmacks«.
Im Westen hat das kaum jemand beachtet. Erst als Molekularbiologen die entsprechenden Rezeptoren fast ein Jahrhundert später entdeckten, änderte sich das. In der Zwischenzeit jedoch erlangte Mononatriumglutamat, auch bekannt als Zusatzstoff E 621, einen wahrlich schlechten Ruf. Zu Unrecht. Denn auch wenn die meisten es nicht wissen: Umami ist weit verbreitet.
Umami steckt in Pilzen, spanischem Schinken, Parmesankäse und kurioserweise in Muttermilch. Es ist der typische Geschmack von Fleisch- und Fischextrakten, weshalb Rind-, Schweine- und Lammfleisch bei der Bevölkerung so beliebt sind, und von Sojasoße.
Das angebliche »Chinarestaurant-Syndrom« gibt es so nicht
Warum also ist umami in Verruf geraten? Grund ist ein Brief, der womöglich nicht einmal ernst gemeint, sondern ein Scherz unter Medizinern war. Der Brief, veröffentlicht im »New England Journal of Medicine« unter der Überschrift »Monosodium Glutamate and the Chinese-Restaurant Syndrome«, war nur wenige Absätze lang. »Seit einigen Jahren, seit ich in diesem Land bin, erlebe ich ein seltsames Syndrom, wenn ich in einem chinesischen Restaurant gegessen habe«, schrieb der Verfasser, ein Robert Ho Man Kwok. Zu dem Symptomen zählten »Taubheitsgefühl im Nacken, das allmählich in beide Arme und den Rücken ausstrahlt, allgemeine Schwäche und Herzklopfen«. Er spekulierte, das Natrium im Essens oder in der Sojasoße oder im Kochwein könnte die Ursache sein. Oder es liege am Mononatriumglutamat, »das in chinesischen Restaurants in großem Umfang zum Würzen verwendet wird«.
Sehr wahrscheinlich war Robert Ho Man Kwok ein ausgedachter Name, zudem handelte es sich nicht um eine wissenschaftliche Studie. Doch schon bald war das vermeintliche Chinarestaurant-Syndrom weit bekannt. Und die Behauptung, Glutamat sei dermaßen schädlich, hält sich bis heute, obwohl sie mit Hilfe mehrerer wissenschaftlicher Studien widerlegt wurde.
Mononatriumglutamat ist nichts anderes als das Natriumsalz der Glutaminsäure, eine der 20 Aminosäuren, aus denen Proteine bestehen, die der Körper synthetisieren kann. Es wirkt in Neuronen als Neurotransmitter.
Was uns zurück zu den Geschmacksverstärkern bringt. Um den von Ikeda entdeckten Geschmack weiter zu erforschen, isolierte einer seiner Schüler im Jahr 1913 eine bestimmte chemische Verbindung namens Inosinat aus getrocknetem und geräuchertem Tunfisch. 1957 wiederum fanden fanden Forscher Guanylate im Shiitake-Pilz. Die Natriumsalze der Inosin- und der Guanylsäure modulieren und verstärken das durch Glutamat verliehene Aroma.
Ihre auffälligste Wirkung entfalten die drei als Nahrungszusatz, um Gerichte pikant und würzig zu machen. Mit ihrer Hilfe lassen sich in Fertiglebensmitteln teure Rohprodukte wie Fleisch einsparen oder Fleischimitate entwickelt, die zwar auf Pflanzen basieren, aber beispielsweise nach Rind schmecken. Mit umami lässt sich der Gaumen also täuschen. Er lässt sich mit dem fünften Grundgeschmack aber auch bewusst verzücken.
Umami bestimmt würziges Tomateneis ebenso wie die Nikkei-Küche
Ein Gewürz mit ausgeprägter Umami-Konnotation, das Köchinnen und Köche wieder für sich entdeckt haben, ist Garum. Dabei handelt es sich um eine Flüssigkeit, die bei der Fermentierung von Fischinnereien entsteht und die schon von den Menschen im Römischen Reich sehr geschätzt wurde.
Der Koch Ricard Camarena nutzt es etwa für seine spanische Bonito-Sauce mit Sardellen-Garum, Kiko Moya erschuf eine Kombination aus gepökeltem Eigelb, Garum und Fischrogen, Pere Planagumá ein gewagtes Quark-, Garum-, Basilikum- und Tomateneis.
Serie: »Eine Portion Forschung«
Was steckt in unseren Lebensmitteln? Wie ernähren wir uns in der Zukunft? Und welche Entwicklungen machen das möglich? Eine neue Videoserie von »Spektrum der Wissenschaft« und »Scientific American« serviert Ihnen fortan regelmäßig eine Portion Forschung.
Auch die Nikkei-Küche steht im Zusammenhang mit umami. Der japanische Begriff ist abgeleitet von »nikkeijin«, einer Bezeichnung japanischer Auswanderer. Vor allem in Peru, dessen Gastronomie zunehmend von der Vermischung der Kulturen geprägt ist, ist die Nikkei-umami-Fusion von großer Bedeutung. Mitsuharu Tsumura, Küchenchef im Maido in Lima, einem der kultigsten Nikkei-Restaurants der Welt, bereitet Gerichte wie Pescado-Misoyaki – in süßer Misobrühe marinierter Fisch mit Süßkartoffelpüree und geräuchertem Speck – und Yuanyaki-Lachs – in Zitrus- und Sojasoße marinierter Lachs – zu, zwei Gerichte mit starkem Umami-Geschmack.
In der westlichen Küche herrscht noch immer eine gewisse Zurückhaltung vor, umami als Grundgeschmack zu betrachten. Dabei haben Forschende bereits die mit ihm assoziierten Geschmacksknospenrezeptoren bestimmt. Auch regen Glutamat, Inosinat und Guanylat nachweislich die Speichelsekretion an und machen Lebensmittel schmackhafter.
Ferner haben Teams einen gewissen Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Speisen mit Umami-Geschmack und der Abnahme von Fettleibigkeit festgestellt. Studien deuten darauf hin, dass die Verbindungen, die für diesen Geschmack verantwortlich sind, am Mechanismus beteiligt sind, der das Sättigungsgefühl erhöht und das Wiederaufleben des Hungers nach der Stimulierung reduziert.
Mit Hilfe von umami lässt sich in der Gastronomie also womöglich das Appetitliche mit dem Gesunden vereinen. Dieser Text ist zuerst bei »Investigación y Ciencia« erschienen. Der Artikel wurde zur besseren Lesbarkeit angepasst.
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