Planetarische Nebel: Eine trügerische Vielfalt
Planetarische Nebel entstehen, wenn ein Stern mit einer Masse von mindestens einer und höchstens acht Sonnenmassen verlöscht. Gegen Ende ihres Lebens stoßen solche Sterne ihre äußeren Gashüllen ab und legen dabei den heißen inneren Kern frei, der fortan als Weißer Zwerg intensive Ultraviolettstrahlung aussendet. Diese Strahlung regt dann die zuvor abgestoßenen Hüllen zum Leuchten an. Ihr Name zeugt von einer gewissen Ähnlichkeit mit Planeten und rührt her aus der Anfangszeit teleskopischer Beobachtung.
Auf astronomischen Bildern offenbaren die Planetarischen Nebel eine Vielzahl geometrischer Strukturen, von rund über elliptisch bis hin zu spiegelsymmetrisch mit oft mehreren Symmetrieachsen. Oft ist auch ein Paar leuchtender Keulen sichtbar: Solche Nebel werden als bipolar bezeichnet. Schon seit dem Jahr 1918 teilen die Astronomen Planetarische Nebel anhand ihres Aussehens in verschiedene Kategorien ein. Solch eine Klassifikation ist meist der erste Schritt zu einem tieferen Verständnis der Mechanismen, die sich hinter den klassifizierten Objekten abspielen.
Im Fall der Nebel wurde vermutet, dass ihre Struktur auf unterschiedliche physikalische Prozesse zurückzuführen sei: Würden für jeden Stern bei dessen Tod andere Prozesse ablaufen, so erhielte man eine Vielzahl von unterschiedlichen Nebelstrukturen. Über die Jahre hinweg wurden die Kriterien zur Klassifikation der Planetarischen Nebel immer wieder überholt und verbessert. Als die Technik der Teleskope voranschritt und sich zunehmend detailreichere Bilder gewinnen ließen, erkannten die Astronomen bei Planetarischen Nebeln auch neue, feinere Details. Die Forscher sahen sich dadurch gezwungen, eine neue Kategorie in ihrer Klassifikation zu eröffnen, die multipolaren Nebel: Gebilde, die nicht nur ein Paar leuchtender Keulen aufweisen, sondern gleich mehrere. Die Klasse der multipolaren Nebel fand schnell Zuwachs, und mit der Zeit ordneten die Astronomen ihr immer mehr Objekte zu. Sogar solche Nebel, die auf älteren Aufnahmen rund erschienen, erwiesen sich auf jüngeren und detailreicheren Bildern häufig als multipolar.
Ist die Vielfalt ein Trugschluss?
Dass die multipolare Nebelform zunehmend häufig identifiziert wurde, erregte nun das Misstrauen der Astronomen um Sze Ning Chong von der japanischen Universität in Kagoshima. Sie vermuteten, dass die Vielfalt der Nebel ein Trugschluss ist: Was, wenn die unterschiedlichen zweidimensionalen Strukturen lediglich durch einen geometrischen Projektionseffekt ihres in Wirklichkeit dreidimensionalen Aufbaus zu Stande kommen? Abhängig vom Blickwinkel würde somit ein solcher Planetarischer Nebel unterschiedlich aussehen. Die wahre dreidimensionale Struktur, so mutmaßte das Team um Chong, könnte womöglich allen Nebeln gemein sein. Die zunehmende Zahl als multipolar identifizierter Planetarischer Nebel könnte dann daran liegen, dass die universelle räumliche Struktur der Nebel eben mehrere Keulen aufweist.
Um diesen Verdacht zu überprüfen, modellierte das Astronomenteam eine räumliche Struktur mit drei Keulenpaaren. Den Keulen verliehen sie ein halbdurchsichtiges Aussehen, wie es von einem dünnen, leuchtenden Gas zu erwarten ist. Die genaue Ausrichtung zueinander sowie die Form der Keulen variierten sie leicht, denn, so ihre Argumentation, für echte Planetarische Nebel wäre dies zu erwarten. Die Keulen entstehen, wenn ein sterbender Stern Materie entlang unterschiedlicher Achsen auswirft. Die Keulenform hängt dann davon ab, wie schnell diese Materie ausgeworfen wird und ob sie in den leeren Weltraum entweichen kann oder ob sie auf bereits vorher ausgestoßenes Gas prallt. Von ihrem Modell simulierten die Forscher Ansichten aus verschiedenen Blickwinkeln und erhielten dabei Bilder, die realen Planetarischen Nebeln in all ihrer Vielfalt verblüffend ähneln.
Offenbar sehen wir auf Bildern also nur die Überlagerung der verschiedenen leuchtenden Schichten. Das erklärt auch, weshalb erst mit empfindlicheren Teleskopen immer mehr Nebel als multipolar enttarnt wurden: Am leuchtkräftigsten erscheinen uns diejenigen Regionen, bei denen durch den Projektionseffekt besonders viele Schichten des Nebels hintereinander zu liegen kommen. Die Kontur einer einzelnen Keule kann dann leicht vor dem restlichen leuchtenden Hintergrund verschwimmen. Aus demselben Grund erscheinen manche Nebel auf Aufnahmen rund: Wir erkennen nur die innersten Regionen des Nebels, wo sich die Keulen überlagern. Die Schnitte der Keulenwände projizieren sich hier zu einem runden Gebilde. Laut Chong sind es also nicht unterschiedliche physikalische Prozesse, die jeden Nebel einzigartig machen.
Vielmehr hat es diese Arbeitsgruppe geschafft, all die verschiedenen Nebelformen auf ein einziges Modell zurückzuführen. Die Suche nach dem Grund, weshalb Planetarische Nebel so unterschiedlich aussehen, ist damit wahrscheinlich beendet. Stattdessen können Forscher nun daran gehen, die Prozesse zu simulieren, welche die räumliche Struktur erzeugen.
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