Hoch entwickelte Einzeller : Eine Zelle mit Auge, Speer und Antriebskolben
Auch einzellige Organismen können hoch entwickelte organartige Systeme haben, wie ein genauer Blick auf Meeresplankton beweist: Hier haben winzige, aus einer Zelle bestehende Dinoflagellaten-Jäger eine Linse mit Fotorezeptor erfunden, mit dem sie ganz offenbar ihre biolumineszierende Beute im Ozean erspähen können. Diese "Ozelloiden" – flüchtig erinnern sie an einen dunkelvioletten Fleck und waren früher mit einem aufgenommenen Beutetier verwechselt worden – ähneln in ihrem Prinzip den lichtsensitiven Kameraaugen größerer Vielzeller, berichten Forscher. Sie hatten Mikroskop- und Genuntersuchungen sowie Strukturanalysen der komplexen morphologischen Strukturen durchgeführt, für die die Dinoflagellaten bekannt sind. Neben den Fotorezeptoren verfügen die Einzeller auch noch über hoch entwickelte Geißel-Abschussapparate und eine Art von beweglichem Kolben, der offenbar etwas mit der Fortbewegung zu tun hat.
Das hochkomplexe "Auge" der Dinoflagellaten stellt die anderen Systeme aber noch in den Schatten. Untersuchungen an den Molekülkomplexen sind wegen der Zerbrechlichkeit der Einzeller sehr kompliziert. Nun gelang es dem Team aber mit DNA-Sequenzanalysen und neuester Mikroskopiertechnik, den Aufbau genau zu ermitteln. Wie sich zeigt, entsteht eine Art Hornhaut aus einem umgestalteten Mitochondrium sowie ein Netzhautanalogon aus ursprünglich für Fotosynthese zuständigen Plastiden. Sie stammen von den Organellen jener Rotalgen ab, die von den evolutiven Ahnen der Dinoflagellaten einst als Symbionten zur Zusatzenergiegewinnung aufgenommen wurden.
Seitdem ist der molekulare Apparat der ehemaligen Plastiden gründlich umgebaut worden – womöglich aber dient das einst bei der Fotosynthese als Sonnenkollektor eingesetzte Lichtantennensystem nun in der "Retina" der Ozelloiden zur sensorischen Detektion von Hell-dunkel-Reizen, spekulieren die Forscher. Zumindest scheinen in Abhängigkeit der Lichtreize chemische Signalstoffe vom Einzellerauge in andere Zellbereiche ausgeschüttet zu werden. Womöglich spielt auch der sehr dichte Zellkern der Einzeller eine Rolle: Es könnte sein, dass seine Schichten die aus unterschiedlichen Richtungen einstrahlenden Reize je nach Lichteinfall stärker oder schwächer polarisieren. Daraus könnte der Dinoflagellat dann womöglich die Richtung bestimmen, in der eine leuchtende Algenbeute schwimmt, und ihr nachjagen. Erlegt wird sie dann mit den harpunenartigen Nematozysten.
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