News: Einer für alle, alle für einen
Aber gleich und gleich gesellt sich gern – viele Männchen stellen sich gleichzeitig auf demselben Balzplatz zur Schau. Der Grund für diesen gemeinsamen Tanz war Biologen bisher nicht bekannt. Tatsache ist, daß nur einige wenige der attraktivsten Männchen von den Weibchen als Partner ausgewählt werden. Daher war es ein Rätsel, warum die Verlierer überhaupt noch erscheinen und warum sie nicht etwas Ähnliches machen wie ihre menschlichen Leidensgenossen: nämlich vor dem Fernseher sitzen und Bier trinken.
Eine mögliche Antwort gaben nun Marion Petrie und ihre Kollegen von der University of Newcastle upon Tyne in Nature vom 9. September 1999. Die Forscher untersuchten das Verhalten einer Population von Pfauen (Pavo cristatus) in einem Tierpark in Großbritannien, in dem mehrere Balzplätze eingerichtet sind. Mit Hilfe von DNA-Fingerprinting zeigten die Forscher, daß an den Balzplätzen regelrechte Familientreffen stattfanden. Die Männchen, die eine bestimmte Balzarena regelmäßig besuchten, waren meist enge Verwandte der anderen Männchen am selben Balzplatz. Dagegen gehörten die Männchen auf den benachbarten Balzplätzen nicht zu den engeren Verwandten. In einer weiteren Studie konnten die Forscher nachweisen, daß eine gemischte Gruppe verwandter und nicht verwandter Pfauen, die im Park gemeinsam freigelassen wurde, sich auftrennte und sich nur die verwandten Tiere auf einem Balzplatz versammelten.
Wie ein Pfau seine Verwandtschaft mit einem Artgenossen herausfindet, ist noch nicht ganz geklärt. Die Forscher nehmen jedoch an, daß sich die Vögel am Aussehen orientieren und mit jenen Vögeln einen Schwarm bilden, die ihnen am ähnlichsten sehen, und daher am ehesten verwandt sind.
Die Wissenschaftler haben tatsächlich auch den dazugehörigen Grund gefunden, warum sogar erfolglose Männchen dazu neigen, sich zusammen mit den erfolgreichen zur Schau zu stellen. Wenn die Männchen auf einem Balzplatz miteinander verwandt sind, stimmen auch größere Teile ihres Erbguts überein. Geht man von der Vorstellung eines "egoistischen Gens" aus, so bedeutet der Erfolg eines Männchens in der Balzarena also in gewissem Sinne den Erfolg aller. Nach der von Richard Dawkins beschriebenen Theorie geht es nicht um die Fortpflanzung einzelner Individuen, sondern um die Weitergabe bestimmten Erbguts, also von Genen. Ein Junggeselle, der neben seinem erfolgreichen Bruder einherstolziert und die Werbungsversuche seines Bruders unterstützt, hilft so bei der Produktion von Neffen und Nichten.
So überwiegen womöglich die Vorteile, einem engen Verwandten eine Partnerin zu verschaffen, gegenüber den trüben Aussichten bezüglich der eigenen Fortpflanzung. Und wie alle unverheirateten Onkels wissen, kann man am Ende eines Ausflugs in den Zoo die entzückenden Neffen und Nichten immer an die Eltern zurückgeben und sich auf eine ruhige Nacht freuen.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 1.3.1999
"Das frohe Lied einer parasitenarmen Jugend" - Spektrum Ticker vom 30.7.1999
"Anrüchige Werbung"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum der Wissenschaft 6/98, Seite 72
"Wie Weibchen Partner wählen"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich) - Spektrum der Wissenschaft 1/96, Seite 94
"Gottes Nutzenfunktion"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich)
Der Heidelberger Verlag Spektrum der Wissenschaft ist Betreiber dieses Portals. Seine Online- und Print-Magazine, darunter »Spektrum der Wissenschaft«, »Gehirn&Geist« und »Spektrum – Die Woche«, berichten über aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.