News: Einfach Ballast abwerfen
Die Körperbaupläne erfolgreich existierender Arten massiv umzuformen - dafür scheinen lange Evolutionszeiträume unumgänglich. Stimmt nicht unbedingt, beweisen unscheinbare Süßwasserfische.
Evolution, das steckt mittlerweile in vielen Köpfen, verläuft vor allem langsam: Von Zeit zu Zeit bringen genetische Veränderungen zufällig gerade Nützliches hervor, und in sehr langer Dauer summieren sich die im Selektionsprozess bewährten subtilen Anpassungen zum besseren Ganzen – mit den kleinen Schritten der so genannten Mikroevolution.
Kann derart gemächlich aber wirklich aus dem einfachsten Einzellervorfahren die gesamte Bauplanvielfalt des Lebens entstanden sein? Vermutlich, so Evolutionstheoretiker, bringen zumindest gelegentlich rasant-radikale Entwicklungssprünge die evolutiven Vorgänge gehörig auf Trab: die Makroevolution, in der plötzlich umfassend veränderte Merkmale sprunghafte Fortschrittsschübe auslösen.
So schön die Theorie, zu beweisen ist Makroevolution allerdings schwer: Massive Änderungen an ums Überleben kämpfenden Arten führen schließlich meist einfach zum Tod veränderter Individuen. Ein Modellorganismus, an dem radikale Umbauten in jüngster Zeit nachvollziehbar erfolgreich waren, käme da als Studienobjekt wie gerufen.
Michael Shapiro von der Stanford Universität und seine Kollegen glauben nun, einen Vertreter solch jüngst erfolgter Makroevolution gefunden zu haben: Die Süßwasservariante des Stichlings Gasterosteus aculeatus. Sie entwickelte sich aus in den Ozeanen heimischen Vorfahren in neu entstandenen Nischen erst, als vor etwa 15 000 Jahren das Ende der letzten Eiszeit anbrach: Zu ihrem Lebensraum wurden jene Seen und Wasserläufe, die aus den gewaltigen schmelzenden Gletschern in Nordamerika, Europa und Asien hervorgingen. In der sehr kurzen Zeitspanne ihrer Existenz bauten die Süßwasserstichlinge ihren Körper radikal um: Ihnen fehlen heute völlig jene prominenten hinteren Stachel mitsamt deren Beckenskelettbasis, die ihren marinen Stichlingsverwandten wohl als Schutz vor hungrigen Feinden dienen.
Die Stichlinge können im Süßwasserhabitat vielleicht auf diese Stacheln verzichten, weil ihnen weniger abschreckbare Fressfeinde auflauern. Vielleicht müssen sie auch aus ökonomischen Gründen ohne den Beckenskelettbesatz auskommen, weil in ihrem Lebensraum jenes ausreichende Angebot an kalziumreicher Nahrung fehlt, das der Aufbau der massiven Knochenstrukturen fordert. Viel interessanter aber ist die Frage: Wie gelang der radikale Skelettumbau – vergleichbar etwa mit dem Verlust der Hinterbeine bei der Evolution der Delfine – überhaupt innerhalb derart kurzer Zeit?
Ein einzelnes Gen ist hauptverdächtig, fand Shapiro – die Stichlings-Genvariante von Pitx1, das bei Mäusen etwa für die Gestaltung der Hinterbeine mitverantwortlich ist. Ohne das aktive Gen im Beckenbereich heranwachsender Stichlingsembryonen entwickeln diese tatsächlich keine Beckenstacheln. Allerdings übernimmt Pitx1 auch einige lebenswichtige Funktionen in verschiedenen anderen Geweberegionen des Körpers – eine generelle Abschaltung würde zu stachellosen, aber auch toten Tieren führen. Wie die Forscher durch Vergleiche der Genaktivitäts zeigten, regulieren die Süßwasserstichlinge daher die Genaktivität sinnvoll angepasst in den jeweiligen Körperpartien: Im Beckenbereich ist Pitx1 inaktiv, anderswo arbeitet es genau wie bei den marinen, beckenstacheltragenden Formen.
Genau derartig selektive Regulation der Genaktivität also kann radikale Körperumbauten – und damit mögliche Makroevolutions-Sprünge – erlauben, so Sharpiro. Nötig seien dabei nur verblüffend geringe Eingriffe in die Zellregularien, die auch innerhalb evolutiv kurzer Zeiträume entstehen und sich durchsetzen können. Ein starker möglicher Motor der Evolution – wohl nicht nur bei Stichlingen.
Kann derart gemächlich aber wirklich aus dem einfachsten Einzellervorfahren die gesamte Bauplanvielfalt des Lebens entstanden sein? Vermutlich, so Evolutionstheoretiker, bringen zumindest gelegentlich rasant-radikale Entwicklungssprünge die evolutiven Vorgänge gehörig auf Trab: die Makroevolution, in der plötzlich umfassend veränderte Merkmale sprunghafte Fortschrittsschübe auslösen.
So schön die Theorie, zu beweisen ist Makroevolution allerdings schwer: Massive Änderungen an ums Überleben kämpfenden Arten führen schließlich meist einfach zum Tod veränderter Individuen. Ein Modellorganismus, an dem radikale Umbauten in jüngster Zeit nachvollziehbar erfolgreich waren, käme da als Studienobjekt wie gerufen.
Michael Shapiro von der Stanford Universität und seine Kollegen glauben nun, einen Vertreter solch jüngst erfolgter Makroevolution gefunden zu haben: Die Süßwasservariante des Stichlings Gasterosteus aculeatus. Sie entwickelte sich aus in den Ozeanen heimischen Vorfahren in neu entstandenen Nischen erst, als vor etwa 15 000 Jahren das Ende der letzten Eiszeit anbrach: Zu ihrem Lebensraum wurden jene Seen und Wasserläufe, die aus den gewaltigen schmelzenden Gletschern in Nordamerika, Europa und Asien hervorgingen. In der sehr kurzen Zeitspanne ihrer Existenz bauten die Süßwasserstichlinge ihren Körper radikal um: Ihnen fehlen heute völlig jene prominenten hinteren Stachel mitsamt deren Beckenskelettbasis, die ihren marinen Stichlingsverwandten wohl als Schutz vor hungrigen Feinden dienen.
Die Stichlinge können im Süßwasserhabitat vielleicht auf diese Stacheln verzichten, weil ihnen weniger abschreckbare Fressfeinde auflauern. Vielleicht müssen sie auch aus ökonomischen Gründen ohne den Beckenskelettbesatz auskommen, weil in ihrem Lebensraum jenes ausreichende Angebot an kalziumreicher Nahrung fehlt, das der Aufbau der massiven Knochenstrukturen fordert. Viel interessanter aber ist die Frage: Wie gelang der radikale Skelettumbau – vergleichbar etwa mit dem Verlust der Hinterbeine bei der Evolution der Delfine – überhaupt innerhalb derart kurzer Zeit?
Ein einzelnes Gen ist hauptverdächtig, fand Shapiro – die Stichlings-Genvariante von Pitx1, das bei Mäusen etwa für die Gestaltung der Hinterbeine mitverantwortlich ist. Ohne das aktive Gen im Beckenbereich heranwachsender Stichlingsembryonen entwickeln diese tatsächlich keine Beckenstacheln. Allerdings übernimmt Pitx1 auch einige lebenswichtige Funktionen in verschiedenen anderen Geweberegionen des Körpers – eine generelle Abschaltung würde zu stachellosen, aber auch toten Tieren führen. Wie die Forscher durch Vergleiche der Genaktivitäts zeigten, regulieren die Süßwasserstichlinge daher die Genaktivität sinnvoll angepasst in den jeweiligen Körperpartien: Im Beckenbereich ist Pitx1 inaktiv, anderswo arbeitet es genau wie bei den marinen, beckenstacheltragenden Formen.
Genau derartig selektive Regulation der Genaktivität also kann radikale Körperumbauten – und damit mögliche Makroevolutions-Sprünge – erlauben, so Sharpiro. Nötig seien dabei nur verblüffend geringe Eingriffe in die Zellregularien, die auch innerhalb evolutiv kurzer Zeiträume entstehen und sich durchsetzen können. Ein starker möglicher Motor der Evolution – wohl nicht nur bei Stichlingen.
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