Angewandte Chemie: Einfach dreifach lösen
Seit geraumer Zeit werden jährlich Millionen Tonnen Ammoniak unter den harschen, energieaufwändigen Bedingungen des betagten Haber-Bosch-Verfahrens aus Stickstoffgas hergestellt. Ein Grund für den Mangel an Alternativen: Je milder der Umgang mit N2, desto komplizierter wird die Reaktion, mit der er verwertbar wird. Ob der jüngste Einfall der Stickstoff-Chemiker daran etwas ändert?
Alle Lebewesen brauchen Stickstoff – wie gut, dass man nicht lange danach zu suchen braucht, schließlich besteht die Luft um uns herum zu knapp vier Fünfteln daraus. Wie schlecht andererseits, dass Stickstoff nicht gleich Stickstoff ist: Mensch, Tier und Pflanze benötigen ihn, um Proteine und Nukleinsäuren bauen zu können, in seiner vom Durchschnitts-Stoffwechsel chemisch leicht zu verarbeitenden Form, also etwa als Nitro- oder Ammonium-Verbindung in Dünger oder Nahrung. In der Atmosphäre aber findet sich der gesuchte Stoff fast ausschließlich als gasförmiges N2-Molekül: Ein sehr reaktionsträges, kaum aufzubrechendes Pärchen von zwei einander selbst genügenden und mit gleich drei Bindungen aneinander gefesselten Stickstoff-Atomen. Diese Dreifachbindung muss sehr aufwändig geknackt werden, will man Stickstoff "fixieren", also als chemisch verwertbares N verfügbar machen.
Einen Kniff zur Stickstoff-Fixierung haben im Laufe der Evolution daher auch nicht allzu viele Lebewesen gefunden. Die wichtigsten sind Bakterien, die Luftstickstoff mit Hilfe des Nitrogenase-Enzymkomplexes zu Ammonium machen. Jährlich etwa genauso viel Ammoniak wie die bakteriellen Spezialisten produziert eine weitere Spezies, der Mensch – mit der technischen Hilfe des Haber-Bosch-Verfahrens. Bei diesem Verfahren wird Luft-Distickstoff unter Druck und bei hoher Temperatur mit Wasserstoff-Gas in Anwesenheit eines Katalysators umgesetzt – ein sehr energieaufwändiger, schon 1913 entwickelter Prozess, der aber immer noch konkurrenzlose Bedeutung hat.
Auf der Jagd nach Alternativen
Seit Jahren suchen Chemiker nach Alternativem zum eher brachialen Haber-Bosch-Zusammenzwingen des reaktionsträgen N2 mit H2 oder der industriell kaum ausnutzbaren Stickstofffixier-Variante der Bakterien. Bei beiden Methoden laufen gänzlich unterschiedliche chemischen Reaktionsmechanismen ab: Im technischen Verfahren erfolgen sie an einer großflächigen Grenzschicht von Eisen oder Ruthenium, als Wasserstoff-Quelle dient gasförmiges H2; im bakteriellen System bedient sich das große und kompliziert gebaute Nitrogenaseenzym eines zentralen Eisen-Molybdän-Schwefel-Clusters und holt sich den Wasserstoff vom universellen biologischen Wasserstoffüberträger-Molekül NADH.
Gemeinsam haben diese beiden Methoden kaum etwas – außer identischen Ausgangs- und Endprodukten und der Tatsache, dass sich offenbar stets mehrere katalytische Metallatome um die Elektronen des Distickstoff-Moleküls balgen müssen, um seine feste Dreifachbindung zu destabilisieren. Elsje Alessandra Quadrelli und ihre Kollegen von der Universität Lyon haben nun eine weitere Methode entdeckt und beschreiten dabei wieder ganz andere chemische Wege zum Ziel. Wie beim Haber-Bosch-Verfahren hat hier eine Grenzfläche ihren Auftritt, auf denen die Umsetzung katalysiert wird, wie bei der Nitrogenase-Reaktion aber spielen aber auch elektronenhungrige Metallatome eine Rolle. Diese nehmen jedoch – anders als bei allen bisher bekannten Stickstoff brechenden Reaktionen – N2 nicht von zwei Seiten in Zange; immer reagiert nur ein Metallatom mit einem Distickstoff. Und anders als bei Haber-Bosch-Verfahren sind dazu keine hohen Temperaturen und Drucke notwendig.
Die Katalyse-Fläche von Quadrelli und Co, an der die Reaktion abläuft, ist eine ausgedehnte Matrix, an die über Silikat-Anker viele butylierte Tantal-Atome gebunden sind. Bei etwa 150 Grad Celsius tauschen die Butylgruppen ihren Platz mit eingeleitetem Wasserstoff, und es entstehen die späteren Stickstoff-Fänger: zwei im Gleichgewicht miteinander stehende, hoch elektrophile, elektronendefiziente Tantal-Hydride. Weniger formell könnte man sie als veritable Reaktionsknallförsche bezeichnen: Geraten Moleküle wie Alkane in chemische Reichweite der Tantalhydride, so spalten sie selbst die extrem stabilen C-C-Bindungen der Kohlenwasserstoff per initialem Elektronenklau; eine vor kurzem erkannte Möglichkeit etwa zur gezielten Alkan-Transformation.
Was C-C-Bindungen spaltet, macht vielleicht auch nicht vor N-N-Dreifachbindungen halt, vermutete Quadrellis Team – und bewies es. Bei 250 Grad Celsius und normalem Atmosphärendruck, so berichten die Forscher, setzte die Tantalhydrid-Katalysatormatrix innerhalb von drei Tagen fast sämtlichen Distickstoff eines eingeleiteten N2/H2-Gemisches vollständig zu Ammoniumverbindungen um – die dann in unterschiedlicher Amido- oder Imidoform an das Metallatom gebunden sind und wiedergewonnen werden können.
Komplexe Spalter
Vorerst sind die Erkenntnisse von Quadrelli und Kollegen noch von nur akademischer Brisanz: Die beschriebene, einzigartige Reaktion an dem einem Tantal-Atom unterscheidet sich für Chemiker aufregend überraschend von sämtlichen sonstigen im Stickstoff-Fixiergeschäft bekannten Reaktionen. Und auch wenn die Silikat-Tantal-Hydrid-Matrix-Methode kaum das seit vielen Jahrzehnten bewährte Haber-Bosch-Verfahren bald ersetzten dürfte – immerhin kommt es mit milderen Reaktionsbedingungen aus. Die Ausbeute des Verfahrens ist zudem höher als eine vor dreieinhalb Jahren vorgestellte, nahezu ebenso exotisch anmutenden Fixierreaktionen, bei der N2 in einem komplexen organometallischen Reaktionszentren von zwei Seiten zerpflückt wird.
Es geht einfacher als so – allerdings auch, wie die Biologie lehrt, viel komplizierter: Die gemeine Nitrogenase der schlichten Stickstoff fixierenden Bakterien spaltet N2 zu Ammonium mit vermutlich nicht weniger als zwanzig verschiedenen, elegant zusammenwirkenden Metall-Beteiligten in ihren Cofaktoren und Reaktionszentren. Dann, könnte man meinen, doch lieber eine simple Matrix elektrophiler, elektronendefizienter Tantal-Hydride.
Einen Kniff zur Stickstoff-Fixierung haben im Laufe der Evolution daher auch nicht allzu viele Lebewesen gefunden. Die wichtigsten sind Bakterien, die Luftstickstoff mit Hilfe des Nitrogenase-Enzymkomplexes zu Ammonium machen. Jährlich etwa genauso viel Ammoniak wie die bakteriellen Spezialisten produziert eine weitere Spezies, der Mensch – mit der technischen Hilfe des Haber-Bosch-Verfahrens. Bei diesem Verfahren wird Luft-Distickstoff unter Druck und bei hoher Temperatur mit Wasserstoff-Gas in Anwesenheit eines Katalysators umgesetzt – ein sehr energieaufwändiger, schon 1913 entwickelter Prozess, der aber immer noch konkurrenzlose Bedeutung hat.
Auf der Jagd nach Alternativen
Seit Jahren suchen Chemiker nach Alternativem zum eher brachialen Haber-Bosch-Zusammenzwingen des reaktionsträgen N2 mit H2 oder der industriell kaum ausnutzbaren Stickstofffixier-Variante der Bakterien. Bei beiden Methoden laufen gänzlich unterschiedliche chemischen Reaktionsmechanismen ab: Im technischen Verfahren erfolgen sie an einer großflächigen Grenzschicht von Eisen oder Ruthenium, als Wasserstoff-Quelle dient gasförmiges H2; im bakteriellen System bedient sich das große und kompliziert gebaute Nitrogenaseenzym eines zentralen Eisen-Molybdän-Schwefel-Clusters und holt sich den Wasserstoff vom universellen biologischen Wasserstoffüberträger-Molekül NADH.
Gemeinsam haben diese beiden Methoden kaum etwas – außer identischen Ausgangs- und Endprodukten und der Tatsache, dass sich offenbar stets mehrere katalytische Metallatome um die Elektronen des Distickstoff-Moleküls balgen müssen, um seine feste Dreifachbindung zu destabilisieren. Elsje Alessandra Quadrelli und ihre Kollegen von der Universität Lyon haben nun eine weitere Methode entdeckt und beschreiten dabei wieder ganz andere chemische Wege zum Ziel. Wie beim Haber-Bosch-Verfahren hat hier eine Grenzfläche ihren Auftritt, auf denen die Umsetzung katalysiert wird, wie bei der Nitrogenase-Reaktion aber spielen aber auch elektronenhungrige Metallatome eine Rolle. Diese nehmen jedoch – anders als bei allen bisher bekannten Stickstoff brechenden Reaktionen – N2 nicht von zwei Seiten in Zange; immer reagiert nur ein Metallatom mit einem Distickstoff. Und anders als bei Haber-Bosch-Verfahren sind dazu keine hohen Temperaturen und Drucke notwendig.
Die Katalyse-Fläche von Quadrelli und Co, an der die Reaktion abläuft, ist eine ausgedehnte Matrix, an die über Silikat-Anker viele butylierte Tantal-Atome gebunden sind. Bei etwa 150 Grad Celsius tauschen die Butylgruppen ihren Platz mit eingeleitetem Wasserstoff, und es entstehen die späteren Stickstoff-Fänger: zwei im Gleichgewicht miteinander stehende, hoch elektrophile, elektronendefiziente Tantal-Hydride. Weniger formell könnte man sie als veritable Reaktionsknallförsche bezeichnen: Geraten Moleküle wie Alkane in chemische Reichweite der Tantalhydride, so spalten sie selbst die extrem stabilen C-C-Bindungen der Kohlenwasserstoff per initialem Elektronenklau; eine vor kurzem erkannte Möglichkeit etwa zur gezielten Alkan-Transformation.
Was C-C-Bindungen spaltet, macht vielleicht auch nicht vor N-N-Dreifachbindungen halt, vermutete Quadrellis Team – und bewies es. Bei 250 Grad Celsius und normalem Atmosphärendruck, so berichten die Forscher, setzte die Tantalhydrid-Katalysatormatrix innerhalb von drei Tagen fast sämtlichen Distickstoff eines eingeleiteten N2/H2-Gemisches vollständig zu Ammoniumverbindungen um – die dann in unterschiedlicher Amido- oder Imidoform an das Metallatom gebunden sind und wiedergewonnen werden können.
Komplexe Spalter
Vorerst sind die Erkenntnisse von Quadrelli und Kollegen noch von nur akademischer Brisanz: Die beschriebene, einzigartige Reaktion an dem einem Tantal-Atom unterscheidet sich für Chemiker aufregend überraschend von sämtlichen sonstigen im Stickstoff-Fixiergeschäft bekannten Reaktionen. Und auch wenn die Silikat-Tantal-Hydrid-Matrix-Methode kaum das seit vielen Jahrzehnten bewährte Haber-Bosch-Verfahren bald ersetzten dürfte – immerhin kommt es mit milderen Reaktionsbedingungen aus. Die Ausbeute des Verfahrens ist zudem höher als eine vor dreieinhalb Jahren vorgestellte, nahezu ebenso exotisch anmutenden Fixierreaktionen, bei der N2 in einem komplexen organometallischen Reaktionszentren von zwei Seiten zerpflückt wird.
Es geht einfacher als so – allerdings auch, wie die Biologie lehrt, viel komplizierter: Die gemeine Nitrogenase der schlichten Stickstoff fixierenden Bakterien spaltet N2 zu Ammonium mit vermutlich nicht weniger als zwanzig verschiedenen, elegant zusammenwirkenden Metall-Beteiligten in ihren Cofaktoren und Reaktionszentren. Dann, könnte man meinen, doch lieber eine simple Matrix elektrophiler, elektronendefizienter Tantal-Hydride.
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