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News: Eingebildete Symmetrie?

Die verführerische Idee, daß die alten Römer, Griechen oder Ägypter Monumente wie den Parthenon dem sogenannten „goldenen Schnitt“ entsprechend planten - angeblich dem Abstand vom Nabel zum Kopf im Vergleich zur Körperlänge, wurde in den vergangenen Jahren diskreditiert. Nun hat sich ein Mathematiker aufgemacht, auch die These zu widerlegen, daß Dekorationen in alten ägyptischen Grabkammern Konzepten entsprechen, die auf Kenntnis und Anwendung der mathematischen Symmetrie beruhen. Laut einer neuen Analyse, die letzte Woche auf der Jahrestagung der American Mathematical Society vorgestellt wurde, stellen zumindest einige der Grabmuster lediglich Haushaltsgegenstände dar und nicht anspruchsvolle abstrakte Muster.
An den Decken vieler Grabstätten findet sich ein sich wiederholendes Muster von Spiralen gerahmt durch Zickzacklinien. Daraus schlossen einige Gelehrte, daß schon die frühen Ägypter moderne Begriffe von Symmetrie für ihre Muster nutzten. Ein sich endlos wiederholendes Muster erlaubt, ein kompliziertes Muster für eine gesamte Decke zu planen, statt nach der Versuch-und-Irrtum-Methode vorzugehen. Diese Annahme spielt auch eine Rolle bei der Klassifikation von sich wiederholenden Mustern in „Friesgruppen“ und „Tapetengruppen“.

Aber „unsere fixe Idee von der Symmetrie macht uns möglicherweise blind für die Asymmetrie“, sagt die Mathematikerin Marjorie Senechal vom Smith College in Northampton, Massachusetts, die eine neue Interpretation der Erkenntnisse der Anthropologin Elizabeth Barber vom Occidental College in Los Angeles vorstellte. 1991 entdeckte Barber, daß ein 3500 Jahre altes Grab mit Mustern dekoriert war, die bislang in der ägyptischen Kunst unbekannt waren, jedoch auf minoischen Textilien auftauchten. Verschiedene dieser Muster waren wie in vielen Grabstätten unbeholfen aneinandergereiht. Barber war der Meinung, daß die Deckenmuster wahrscheinlich Darstellungen importierter minoischer Matten waren, welche die Ägypter von ihren Dachsparren hängten, um herabfallende Lehmklumpen aufzufangen. Diese Erklärung stimmte mit der Tatsache überein, daß Grabdecken manchmal mit anderen nicht abstrakten Bildern von Gegenständen dekoriert waren, die man am Himmel sah, wie Vögel oder Sterne.

Barber hatte nur beabsichtigt, eine Verknüpfung zwischen der ägyptischen und der minoischen Zivilisation aufzuzeigen. Senechal zug Schlüsse in eine andere Richtung: Hatten die Ägypter kein Muster entworfen, mit dem man eine unendliche Ebene ausfüllt, brauchten sie auch nichts über moderne Symmetrietheorie zu wissen.

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