Planetenforschung: Eingenässt oder nur abgerutscht?
H2O findet sich nicht nur auf dem Blauen, sondern durchaus auch auf dem Roten Planeten - dort allerdings ausschließlich in seit Millionen von Jahren gefrorener Form. Doch Moment: Was sind das dort für neue Pfützen, auf den Bildern des letzten Winters?
Mal durchzählen: Zwei rollende Bodenerkunder, vier – nein, nur noch drei – knipsende Orbitspäher, macht fünf Aktive. Dazu kommen, angefangen mit dem ersten Erfolg, zwölf mittlerweile ausgemusterte oder längst im All verschwundene US-amerikanische Veteranen, nicht zu vergessen 13 russisch-sowjetische und eine japanische Mission. Der Mars, so scheint es, hat eine enorme Anziehungskraft für irdische Planetenforscher und ihr teures Sondenspielzeug. Und eine immer gleiche Frage begleitet die Auswertung aller vom Roten Planeten gesammelten Daten, seit sich am Abend des 14. Juli 1965 erstmals Bildauswerter über extraterrestrische Planeten-Nahaufnahmen beugten: Haben wir Spuren von Leben gefunden? Oder zumindest Orte, an denen es Nischen des Lebens geben könnte? Langweilig wird das niemandem – obwohl die Antwort eigentlich seit 41 Jahren gleich lautete: "Nein."
Das klingt endgültiger, als es ist, denn mit immer besseren Instrumenten kann immer gründlicher gesucht werden. Zudem ist Leben, wie wir es auf der Erde kennen, extrem einfallsreich und zäh: Fehlenden Sauerstoff und ähnlich frostige Temperaturen wie auf dem Mars könnte manch irdisches Bakterium theoretisch durchaus aushalten. Bleibt fast nur ein Ausschlusskriterium: Wo kein Wasser fließt – und zwar nie –, da ist auch kein Leben. Der Umkehrschluss, den seit Jahrzehnten alle Interessierten beherrschen, geht ganz einfach: Wo Wasser fließt, da könnte doch vielleicht ...
Kurz: Im vergangenen Jahrzehnt suchten Marsforscher, um die Lebensfantasien am Leben zu halten, besonders gezielt nach flüssigem Wasser, oder zumindest nach Spuren von früher oder gelegentlich einmal fließendem Wasser. Und bevor das nun langweilig werden kann, präsentiert die aktuelle Wissenschaftlergeneration den fotografisch gebannten, "überzeugenden, bislang besten" Beleg dafür, das Wasser nicht irgendwann einmal, sondern sogar noch in den letzten vier Jahren über den sonst staubigen Marsboden gesprudelt sein muss.
Sind das nun also plötzlich aus einer unbekannten Quelle hervorgetretene, dann überfrorene Wasserspuren? Nicht so hastig, meinen Kritiker wie Oded Aharonson vom California Institute of Technology oder Allan Treiman vom Lunar and Planetary Institute, und eröffnen einen kleinen Meinungsschlagabtausch: Hier könnte doch auch Staub oder Geröll abgerutscht sein? Und Staub und Geröll sei nun einmal definitiv häufiger auf dem Mars als Wasser.
Richtig, dennoch: Nirgendwo sonst auf dem Mars hat ein Erdrutsch plötzlich helleren Boden freigelegt, in keinem jungen Krater ist der Einschlaggrund derart anders gefärbt, keiner der beeindruckenden marsianischen Staubtornados hat beim Abzug helleren Boden zurückgelassen, genauso wenig die Reifenspuren der Rover Spirit und Opportunity. Staub und Geröll-Abbrüche seien zudem dort zu finden und gut zu erkennen, geben Malin und Co zu bedenken, wo große Mengen Staub, Sand und Geröll auch liegen – was aber gerade in den nun suspekten Kratern offensichtlich nicht der Fall ist.
Kritiker aus einer anderen Ecke mahnen dagegen an, dass statt Staub oder Wasser vielleicht fließendes Kohlendioxid die hellen Spuren hinterlassen habe. Aus einem unterirdischen, aber bodennahen Reservoir könnte CO2 ausgetreten sein und – in Regionen, in denen nach ihrer Rechnung durchaus minus 107 Grad Celsius in Bodennähe herrschen – als flüssige, helle Lawine talwärts gesaust sein. Flüssiges Wasser sollte bei solchen Oberflächentemperaturen dagegen erst in mehreren Kilometern Tiefe unter dem Boden vorkommen.
Gerade die tatsächlich herrschenden Durchschnittstemperaturen machen dieses Kohlendioxidszenario aber sehr unwahrscheinlich, kontert Malin: Schließlich herrschen in den beobachteten Breitengraden des Mars sicher oft so hohe Temperaturen, dass Kohlendioxid nicht flüssig, sondern gleich gasförmig vorkomme und daher kaum erst als heller Fleck anfrieren dürfe. Nein: Die hellen Flecke seien mit der größten Wahrscheinlichkeit eben überfrorene Wassereispfützen.
Wasser, so Malins Fleckentstehungsszenario, sei in bodennahen unterirdischen Reservoirs gefangen, die gelegentlich aus dem Boden hervorbrechen. Wahrscheinlich bleibe das Wasser trotz der niedrigen Temperaturen und dem geringen Druck der Marsatmosphäre zumindest kurzzeitig flüssig – etwa, weil es mit hohen Salzkonzentrationen gesättigt ist –, um dann überzufrieren, die typischen hellen Regionen zu bilden und schließlich nach und nach zu sublimieren, also übergangslos aus dem eisförmigen Zustand zu verdampfen.
Wenn MRO die nun auffällig gewordenen Kraterränder überfliegt, so Malin, könnte er also vielleicht die unterirdische Wasserquelle der hellen Flecken direkt erkennen. Der Rest des jüngsten Kapitels der ältesten Marsgeschichte ist schon erzählt worden: Wenn da unten Wasser ist, dann könnte dort ja vielleicht ... Die Story, so scheint es, bleibt weiter im Fluss.
Das klingt endgültiger, als es ist, denn mit immer besseren Instrumenten kann immer gründlicher gesucht werden. Zudem ist Leben, wie wir es auf der Erde kennen, extrem einfallsreich und zäh: Fehlenden Sauerstoff und ähnlich frostige Temperaturen wie auf dem Mars könnte manch irdisches Bakterium theoretisch durchaus aushalten. Bleibt fast nur ein Ausschlusskriterium: Wo kein Wasser fließt – und zwar nie –, da ist auch kein Leben. Der Umkehrschluss, den seit Jahrzehnten alle Interessierten beherrschen, geht ganz einfach: Wo Wasser fließt, da könnte doch vielleicht ...
Kurz: Im vergangenen Jahrzehnt suchten Marsforscher, um die Lebensfantasien am Leben zu halten, besonders gezielt nach flüssigem Wasser, oder zumindest nach Spuren von früher oder gelegentlich einmal fließendem Wasser. Und bevor das nun langweilig werden kann, präsentiert die aktuelle Wissenschaftlergeneration den fotografisch gebannten, "überzeugenden, bislang besten" Beleg dafür, das Wasser nicht irgendwann einmal, sondern sogar noch in den letzten vier Jahren über den sonst staubigen Marsboden gesprudelt sein muss.
Die Fließgewässer-Beweise stammen aus dem Nachlass des gerade erst wegen Funkkontaktverlust ausgemusterten Mars Global Surveyor (MGS). Aus dem Mars-Orbit hatte dessen Kamera seit 1997 Bilder von Kratern, Dünen und Wüsteneien unseres Nachbarplaneten geliefert und es so ermöglicht, den saisonalen Wandel über Jahre zu verfolgen. Zwei solcher Bilderserien lösen nun Alarm bei den marsianischen Wassersuchern aus: Auf alten Fotos aus dem Jahr 2001 und 1999 waren in den abschüssigen Erdrinnen zweier Kraterwände schon uninterpretierbare hellere Bereiche auf der sonst eintönigen Oberfläche bemerkt worden. Diese waren auch auf neuen Bildern von 2005 beziehungsweise 2004 noch vorhanden, hatten zudem aber plötzlich Nachwuchs bekommen: Aus dem Nichts waren in den zurückliegenden Jahren gleich nebenan ganz ähnliche, kleinere Ablagerungen aufgetaucht. Die neuen, etwas mehr als einen Kilometer langen Rinnenspuren erscheinen mit ihren fingerförmigen Verzweigungen am tiefer liegenden Ende tatsächlich wie hingegossen und um im Weg liegende Brocken herumgeschlängelt, beschreibt der verantwortliche Bildauswerter Michael Malin.
Sind das nun also plötzlich aus einer unbekannten Quelle hervorgetretene, dann überfrorene Wasserspuren? Nicht so hastig, meinen Kritiker wie Oded Aharonson vom California Institute of Technology oder Allan Treiman vom Lunar and Planetary Institute, und eröffnen einen kleinen Meinungsschlagabtausch: Hier könnte doch auch Staub oder Geröll abgerutscht sein? Und Staub und Geröll sei nun einmal definitiv häufiger auf dem Mars als Wasser.
Richtig, dennoch: Nirgendwo sonst auf dem Mars hat ein Erdrutsch plötzlich helleren Boden freigelegt, in keinem jungen Krater ist der Einschlaggrund derart anders gefärbt, keiner der beeindruckenden marsianischen Staubtornados hat beim Abzug helleren Boden zurückgelassen, genauso wenig die Reifenspuren der Rover Spirit und Opportunity. Staub und Geröll-Abbrüche seien zudem dort zu finden und gut zu erkennen, geben Malin und Co zu bedenken, wo große Mengen Staub, Sand und Geröll auch liegen – was aber gerade in den nun suspekten Kratern offensichtlich nicht der Fall ist.
Kritiker aus einer anderen Ecke mahnen dagegen an, dass statt Staub oder Wasser vielleicht fließendes Kohlendioxid die hellen Spuren hinterlassen habe. Aus einem unterirdischen, aber bodennahen Reservoir könnte CO2 ausgetreten sein und – in Regionen, in denen nach ihrer Rechnung durchaus minus 107 Grad Celsius in Bodennähe herrschen – als flüssige, helle Lawine talwärts gesaust sein. Flüssiges Wasser sollte bei solchen Oberflächentemperaturen dagegen erst in mehreren Kilometern Tiefe unter dem Boden vorkommen.
Gerade die tatsächlich herrschenden Durchschnittstemperaturen machen dieses Kohlendioxidszenario aber sehr unwahrscheinlich, kontert Malin: Schließlich herrschen in den beobachteten Breitengraden des Mars sicher oft so hohe Temperaturen, dass Kohlendioxid nicht flüssig, sondern gleich gasförmig vorkomme und daher kaum erst als heller Fleck anfrieren dürfe. Nein: Die hellen Flecke seien mit der größten Wahrscheinlichkeit eben überfrorene Wassereispfützen.
Wasser, so Malins Fleckentstehungsszenario, sei in bodennahen unterirdischen Reservoirs gefangen, die gelegentlich aus dem Boden hervorbrechen. Wahrscheinlich bleibe das Wasser trotz der niedrigen Temperaturen und dem geringen Druck der Marsatmosphäre zumindest kurzzeitig flüssig – etwa, weil es mit hohen Salzkonzentrationen gesättigt ist –, um dann überzufrieren, die typischen hellen Regionen zu bilden und schließlich nach und nach zu sublimieren, also übergangslos aus dem eisförmigen Zustand zu verdampfen.
Neue Untersuchungen sollen den Streit um die Foto-Interpretation klären helfen. Natürlich könnte eine genaue Temperaturmessung vor Ort deutliche Hinweise geben – mit Spannung erwartet wird aber von Malin und Kollegen der Vor-Ort-Einsatz des jüngsten Marsspähers im Orbit, dem Mars Reconnaissance Orbiters (MRO), der gerade pünktlich zur Ablösung des alten MGS-Spähers seinen Einstand mit eindrucksvoll detaillierten Bildern von der Oberfläche gefeiert hat. Mehr als auf die Kamera hoffen die Lebensspurensucher aber auf das SHARAD-Radar an Bord der Sonde – zumindest theoretisch kann dieses Gerät auch Wasseradern unter dem Marsboden ausmachen.
Wenn MRO die nun auffällig gewordenen Kraterränder überfliegt, so Malin, könnte er also vielleicht die unterirdische Wasserquelle der hellen Flecken direkt erkennen. Der Rest des jüngsten Kapitels der ältesten Marsgeschichte ist schon erzählt worden: Wenn da unten Wasser ist, dann könnte dort ja vielleicht ... Die Story, so scheint es, bleibt weiter im Fluss.
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