Sachsen-Anhalt: Einiges auf dem Kerbholz gehabt
Den Ursprung dieser Redewendung hielten Archäologen buchstäblich in Händen: In der Altstadt von Wittenberg entdeckten sie ein gut erhaltenes Kerbholz, das die Ausgräber noch dazu aufs Jahr genau datieren können. In das zirka 30 Zentimeter lange Stöckchen waren 23 Kerben eingeschnitten. Auf dem glatten Griff fand sich ein Eigenname sowie eine Jahreszahl: 1558.
Karin Schlott
Der Archäologe Andreas Hille vom Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle betont den Seltenheitswert solcher Kerbhölzer. Sie dienten im Mittelalter und in der frühen Neuzeit als "Schuldschein". Damals konnten viele Menschen weder lesen noch schreiben. Mit der Zahl der Kerben hielt man die Höhe der Geldschulden fest. Zudem waren Kerbhölzer absolut fälschungssicher: Das Holz wurde nämlich der Länge nach fein säuberlich getrennt – die eine Hälfte behielt der Schuldner, die andere der Gläubiger. Beim Eintreiben der Schulden legte jeder seine Hälfte vor. Wieder zusammengefügt, ließ sich schnell erkennen, ob einer der beiden Parteien versucht hatte, Hand an die Kerben zu legen.
Historiker haben sich bereits in den Steuerlisten des Wittenberger Stadtarchivs, die bis ins 14. Jahrhundert zurückreichen, auf die Suche nach dem Besitzer des 453 Jahre alten Kerbstocks gemacht – leider ohne Erfolg. Bisher sei nicht zweifelsfrei zu belegen, dass er einem Wittenberger Bürger gehörte, kommentiert Ralf Bockmann vom Landesamt für Denkmalpflege den Stand der Dinge. Sicher ist aber, dass sich der Eigentümer des Kerbholzes etwas zu Schulden hat kommen lassen – ob die Kerben indes für Geld oder Waren standen, ist ungewiss.
Karin Schlott
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