Mondsonde: Einschlag in die Schlagzeilen
Ausgerechnet ein dreizehnter Freitag wird gleich zweimal in die astronomischen Geschichtsbücher eingehen. Gleichzeitig buhlten dabei die US-Mondmission LRO/LCROSS und der europäische Kometenjäger Rosetta um Resonanz in der Medienwelt.
Ist eine Nachricht unwichtig, nur weil eine andere am gleichen Tag vermeintlich spektakulärer erscheint? Eigentlich nicht. Manchmal jedoch sind die Redakteure gezwungen, sich aus Platz- oder Zeitgründen für eine Meldung zu entscheiden. So wird mancher Astronom oder Raumfahrtingenieur am Freitagabend bitter enttäuscht gewesen sein, als in der Tagesschau nicht etwa über den vierten und entscheidenden Vorbeiflug der ESA-Kometensonde Rosetta berichtet wurde, sondern über ein Thema, das in den letzten Wochen bereits mehrfach behandelt wurde: Wasser auf dem Mond.
Die amerikanische Weltraumbehörde NASA hatte den Erdtrabanten zuletzt eher als neues, altes Fernziel für menschliche Astronauten verkauft, statt als Objekt intensiver Erforschung durch Raumsonden. Und so waren es tatsächlich die Europäer mit Smart-1, China mit Chang'e-1, Japan mit den hochaufgelösten TV-Bildern ihrer Sonde Kaguya und schließlich Indien mit Chandrayaan-1, die in Erinnerung riefen, dass der Mond noch immer in vielen Punkten ein unerforschtes Land ist.
Umso mehr hatten die Amerikaner die Werbetrommel gerührt, als am 18. Juni der amerikanische Lunar Reconnaissance Orbiter huckepack mit dem Lunar Crater Observation and Sensing Satellite (LCROSS) gestartet wurde. Letzterer übernahm die Aufgabe, in einer Kamikaze-Mission die Auswurfswolke der Centaur-Trägerrakete zu analysieren, die vier Minuten vor dem Raumfahrzeug selbst in der Nähe des Mondsüdpols aufschlug.
Legionen von Amateurastronomen wurden angehalten, den doppelten Einschlag mit ihren Fernrohren zu verfolgen, von den Profiforschern mit ihren Mammutinstrumenten ganz zu schweigen. Die Öffentlichkeit konnte dem Spektakel per NASA-TV live übers Internet beiwohnen. Was sie dann sahen, war – nichts. Keine Explosion, keine Trümmerwolke. Die teure Mission: ein kostspieliger Flop?
Die selbst nicht ganz unverschuldet hoch geschraubten Erwartungen der Öffentlichkeit erfüllte die NASA jedenfalls nicht. Zu sehr waren Eingeweihten etwa noch die Bilder von "Deep Impact" vor dem inneren Auge, der vor einiger Zeit tatsächlich spektakulär im All gecrashed worden war.
Offensichtlich um die gefühlte Scharte auszuwetzen, präsentierten die Amerikaner die – recht vorläufigen! – Ergebnisse des irgendwie verpufften LCROSS-Einschlags nun umso plakativer der Weltpresse. Kernthese dabei: Wasser auf dem Mond! Die Wissenschaftler seien "ekstatisch".
Doch ein Badeurlaub auf dem Erdtrabanten bleibt Utopie: Die Moleküle, die der Aufprall der Centaur-Rakete aufgewirbelten, ergeben zusammen nicht einmal zwei Badewannen voll. Sie liegen auch nicht als erfrischendes Nass vor, sondern gebunden in den verschiedenen Mineralen. Dass es sie gibt, ist auch nicht so neu, wie die Berichte vom Freitag glauben lassen: Drei Wochen vor dem LCROSS-Einschlag erschienen Analysen von Daten dreier Raumsonden, Cassini, Chandraayan-1 und Epoxi (vormals "Deep Impact"), die – wenn auch indirekt – auf Wasservorkommen schließen lassen und sogar die Bildungsgeschichte der H2O-Moleküle verraten.
Der Fund von LCROSS war somit vielmehr die letzte Bestätigung, die die Wissenschaftler brauchten – und genau dafür war die NASA-Mission auch konzipiert. Den Eindruck zu erwecken, das Weltbild der Planetenforscher würde alleine dadurch auf den Kopf gestellt, muss allerdings als Overstatement gewertet werden.
Auch der europäische Kometenjäger Rosetta tat am Freitag übrigens genau das, was er sollte: in nur 2500 Kilometern Abstand über die Erdoberfläche zu sausen, und das nach einer Reise von über 4,5 Milliarden Kilometern, garniert mit drei früheren Swingbys an Erde und Mars und einer Stippvisite beim Asteroiden Steins. Hier kommt das Beste jedoch noch: Nach einem weiteren Asteroidenvorbeiflug wird Rosetta 2014 als erstes Raumfahrzeug zum Satelliten eines Kometen werden, Tschurjumow-Gerasimenko, und auf seiner Oberfläche ein Landegerät absetzen. Dieser Lander, Philae, wird dort Bodenproben nehmen: ohne einen spektakulären Einschlag, aber hoffentlich mit einem tiefen Eindruck in den Medien.
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