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Asteroiden: Vestas Inneres ist rätselhafter als gedacht

Die Auswurfmassen eines gigantischen Kraters deuten darauf hin, dass vieles, was man über den Asteroiden (4) Vesta zu wissen glaubte, falsch ist.
Die Einschlagbecken Rheasilvia und Veneneia auf Vesta

Zwei gigantische Einschlagkrater bilden die Südpolregion des Asteroiden Vesta – zwei mehrere hundert Kilometer Durchmesser große Becken, bis zu 22 Kilometer tief. Das jüngere der beiden, Rheasilvia, hat mit einem Durchmesser von 500 Kilometern fast die Größe von Vesta selbst – der Asteroid verlor bei dem Einschlag vor etwa einer Milliarde Jahren etwa ein Prozent seines Volumens. Der Treffer war so gewaltig, dass er heute Wissenschaftlern einen Blick ins Innere von Vesta erlaubt: Sogar aus 80 Kilometer Tiefe gelangte dabei noch Gestein an die Oberfläche; dies deuten Simulationen an. Wie sich zeigte aber keineswegs das, was Planetenforscher erwartet hätten.

Übersichtskarte der Südhalbkugel des Asteroiden Vesta | Die Kreise, Rauten und Sterne zeigen die Fundstellen des dunklen, kohlenstoffreichen Materials. Die rote Linie markiert den Rand des Veneneia-Beckens, die schwarze Linie den Rand des Rheasilvia-Beckens.

Denn, wie jetzt Forscher um Harold Clenet von der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) berichten, etwas Wichtiges fehlt: Das Mineral Olivin. Als Olivin bezeichnet man eine sehr häufige Gruppe von Mineralen, die einen beträchtlichen Anteil allen Silikatgesteins im Sonnensystem ausmachen: Der obere Erdmantel besteht unterhalb der Erdkruste bis in rund 660 Kilometer Tiefe überwiegend aus Olivin, und Planetenforscher gehen davon aus, dass die anderen felsigen Monde und Planeten einen ähnlichen olivinreichen Mantel unter ihrer etwa 30 bis 40 Kilometer dicken äußeren Kruste besitzen.

Auch für Vesta sagen Modelle ihrer Entstehung eine solche Kruste voraus: Demnach sollten die oberen etwa zehn Kilometer aus dunklem Basalt bestehen, darunter lägen 30 Kilometer eines Gesteins, das reich an Pyroxen ist. Insgesamt ähnelt dieses Bild der irdischen ozeanischen Kruste, die aus Basalt und einer Unterlage aus so genanntem Gabbro besteht. Der Einschlag, der Rheasilvia formte, hätte eine solche Kruste locker durchschlagen und deswegen reichlich Material aus tieferen Schichten an die Oberfläche befördert – eben den Olivin des oberen Mantels. Doch dieser taucht auf Vesta nicht in den erwarteten Mengen auf.

Ob am Kraterboden selbst, in den Auswurfmassen oder gar bei der bei diesem Einschlag entstandenen Asteroidenklasse der Vestoiden, nirgends findet man klassisches Mantelmaterial. Deswegen, so Clenet und sein Team, bleibe nur eine Schlussfolgerung: Vieles, was man bisher über die innere Struktur von Vesta zu wissen glaubte, ist falsch. Die Kruste des Asteroiden muss mindestens 80 Kilometer dick sein, dicker als selbst die dickste kontinentale Kruste auf der Erde.

Das neue Bild von Vesta | a) Bisher stellte man sich Vesta ähnlich wie Gesteinsplaneten vor, mit einer etwa 40 Kilometer dicken Kruste aus Basalt und pyroxenhaltigen Konglomeraten und einem olivinreichen Mantel darunter. b) Die neuen Daten deuten nach Meinung des Teams um Clenet jedoch auf eine ungewöhnliche Struktur hin. Demnach ist die basaltische Kruste mindestens 80 Kilometer dick und muss einen beträchtlichen Anteil magmatischer Intrusionen enthalten. Der Mantel ist dann höchstens ebenso dick wie die Kruste. Bei den erdähnlichen Planeten ist der Mantel 100-fach dicker als die Kruste.

Die Forscher vermuten nun, dass die Olivinspuren, die man auf der Nordhalbkugel des Asteroiden fand, nichts mit dem Mantel zu tun haben, sondern so genannte Plutone sind: Magmenkörper, die einst in der dicken Kruste aufgestiegen, stecken geblieben und dann abgekühlt sind. Das ergibt ein völlig anderes Bild vom inneren Aufbau von Vesta: Demnach hat sie eine mindestens 80 Kilometer dicke basaltische Kruste, die mit aufgestiegenen Magmakörpern gespickt ist.

Doch kein derzeit bekanntes Modell von Vestas Entstehung kann diesen Befund auch nur ansatzweise erklären. Bisher dachte man, Vesta sei eine Art Miniplanet – aber nach der Interpretation von Clenet und seinem Team müssen dort völlig andere Mechanismen am Werk gewesen sein. Oder aber die von der Erde abgeleiteten Annahmen über Aufbau und Entstehung der Gesteinsplaneten treffen generell nur auf unseren Heimatplaneten zu. Dann könnten auch die Geschwister der Erde, Venus und Mars, in ihrem Inneren noch einige Überraschungen bergen.

  • Quellen
Nature 511, 2014, S. 303 – 308

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