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Einsteinjahr 2005: Einsteins Beton-Volks-Kühlschrank nachgebaut

Den von Albert Einstein (1879–1955) und seinem ungarischen Kollegen Leó Szilárd (1898-1964) entwickelten "automatischen Beton-Volks-Kühlschrank" hat Wolfgang Engels von der Universität Oldenburg zusammen mit den Mechanikern der Werkstätten der Universität nachgebaut. Engels gehört der Arbeitsgruppe "Didaktik und Geschichte der Physik" am Institut für Physik an, die unter der Leitung von Falk Rieß seit Jahren historische Experimente mit Hilfe originalgetreuer Nachbauten durchführt.

Die Geschichte des "Einstein-Kühlschranks" beginnt mit einer nicht genau belegbaren Anekdote. Danach las der junge ungarische Privatdozent der Physik Szilárd, der sich kurz zuvor in Berlin habilitiert hatte, in einer Zeitung von dem tödlichen Unfall einer ganzen Familie, die einem undicht gewordenen Kühlschrank zum Opfer gefallen war. Die Idee, einen neuartigen, unfallsicheren Kühlschrank ohne bewegte Teile – also ohne Pumpe, die leckschlagen konnte – zu erfinden, brachte ihn mit Einstein zusammen, der ihn als Teilnehmer des Physikalischen Kolloquiums an der Universität kannte. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit entstanden zwischen 1926 und 1928 dreizehn gemeinsame Patentanmeldungen, von denen acht erteilt wurden.

Historische Zeichnung | Keine sehr genaue Bauanleitung: historische Zeichnung von Einsteins und Szilárds "automatischen Beton-Volks-Kühlschrank"
Das neue Kühlaggregat sollte folgende Ansprüche erfüllen: ohne Elektrizitätsversorgung auskommen, aus Sicherheitsgründen keine bewegten Teile enthalten und nicht mit einem geschlossenen Kühlmittelkreislauf arbeiten. Die giftige Kühlflüssigkeit sollte vielmehr fortwährend unschädlich für die Bewohner aus dem Wohnbereich entfernt werden. Dafür erdachten Einstein und Szilard zwei mögliche Bau- und Funktionsprinzipien: eine elektromagnetische Pumpe für flüssiges Metall und das Verdampfer/Absorptionsprinzip mit Wasserstrahlpumpe und Alkohol als Kühlflüssigkeit. Beide Prinzipien wurden bis zu Prototypen, im Falle des "Automatischen Beton-Volks-Kühlschranks" der Firma Citogel (Hamburg) sogar bis zu Fertigungsmustern vorangetrieben, die auf der Leipziger Messe 1928 und 1929 ausgestellt wurden.

Bei dem in Oldenburg nachgebauten Kühlschrank erzeugt eine Wasserstrahlpumpe einen Unterdruck im Verdampfer, der eine Absenkung des Siedepunkts der Kühlflüssigkeit bewirkt. Dieser kann bei Verwendung von Aceton – je nach Wirksamkeit der Pumpe – bei bis zu minus 20 Grad Celsius liegen. Durch Verdunstung sinkt die Temperatur so lange, bis der Dampfdruck der Flüssigkeit sich mit dem Umgebungsdruck im Gleichgewicht befindet. Zur Erhöhung der Pumpleistung ist im Gehäuse der Pumpe ein Absorber untergebracht, in dessen Inneren ein feiner Wassernebel das Kühlmittel aus dem Dampf auswäscht, das dann in gelöster Form mit dem Wasser abgeführt wird.

Moderner Nachbau | Der Nachbau hat geklappt: die moderne Version des historischen Kühlschrank-Prototyps
Der Nachbau mit einem Nutzinhalt von etwa 80 Litern wurde auf der nicht sehr zuverlässigen Grundlage der Patentschriften und einer Anzeige mit Bild der Herstellerfirma Citogel angefertigt. Er ist in Beton-Kork-Bauweise ausgeführt und wiegt gut 350 Kilogramm. Mit Aceton als Kühlmittel wird bei einem Verbrauch von 0,1 Litern pro Stunde eine Temperatur des Verdampfers von null Grad Celsius erreicht. Die Wasserstrahlpumpe als mechanische Antriebsquelle des Kühlvorgangs benötigt zum Betrieb je nach Kühlleistung bis zu 300 Liter Wasser pro Stunde.

Bei dem Nachbau traten einige Schwierigkeiten auf, wie beispielsweise bei der Umsetzung des physikalischen Kühlprinzips in ein funktionierendes technisches Gerät und vor allem bei der präzisen Gestaltung des Verdampfers, des Absorbers und der Pumpe.

Einstein war nicht nur der wahrscheinlich bedeutendste theoretische Physiker des 20. Jahrhunderts, sondern auch ein erfinderischer Ingenieursgeist. Er sagte selbst: "Der Urquell aller technischen Errungenschaften ist die göttliche Neugier und der Spieltrieb des bastelnden und grübelnden Forschers und nicht minder die konstruktive Phantasie des technischen Erfinders" (1930) und: "Ich habe nie aufgehört, mich mit technischen Dingen zu beschäftigen. Dies war auch für das wissenschaftliche Forschen vorteilhaft" (1930). Weitere Beispiele für sein technisches Interesse sind seine Tätigkeit im Berner Patentamt (1902-1909), seine Experimente zusammen mit Johannes Wander de Haas (1878-1960), seine Gutachten in Patentstreitigkeiten (zum Beispiel zum Kreiselkompass) und seine eigenen Patentanmeldungen.

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