Sonnenforschung: Einzigartiger Blick in die Atmosphäre der Sonne
"Um das Rätsel zu lösen, ist es nötig, einen möglichst genauen Blick auf die Chromosphäre zu werfen – in allen zugänglichen Wellenlängenbereichen", erklärt Solanki. Zusammen mit Kollegen des Kiepenheuer-Instituts für Sonnenphysik (Freiburg), des High Altitude Observatory (Boulder, USA) und des Instituto de Astrofísica de Andalucía (Granada, Spanien) ist es den MPS-Forschern nun gelungen, ein entscheidendes Puzzleteil hinzuzufügen: erste hochaufgelöste Beobachtungen der Chromosphäre in ultraviolettem Licht.
Möglich wurden diese Aufnahmen durch das Sonnenobservatorium Sunrise, das von einem riesigen Helium-Ballon getragen aus einer Höhe von mehr als 37 Kilometern seinen Blick auf die Sonne richtet. In dieser Flughöhe hat Sunrise den Großteil der Erdatmosphäre unter sich gelassen. Diese Luftschichten "schlucken" die ultraviolette Strahlung der Sonne und machen sie so für erdgebundene Teleskope unzugänglich. Anfang Juni dieses Jahres startete Sunrise aus dem nordschwedischen Kiruna zu seinem zweiten Flug. Nach fünftägiger Reise landete das Observatorium an einem Fallschirm auf der abgelegenen Halbinsel Boothia im Norden Kanadas.
"Natürlich untersuchen auch Raumsonden aus dem Weltall das ultraviolette Licht der Sonne", so Solanki. Sie liefern jedoch eine geringere räumliche Auflösung. Zudem bietet Sunrise einen weiteren, entscheidenden Vorteil: Der Sunrise Filter Imager, eines der beiden wissenschaftlichen Instrumente des Observatoriums, ist in der Lage, aus der gesamten Sonnenstrahlung ultraviolette Anteile bestimmter Wellenlängen herauszufiltern – etwa Strahlung mit einer Wellenlänge von 279,6 Nanometern. "Nur die Magnesiumatome in der Chromosphäre emittieren diese Strahlung", erklärt Dr. Tino Riethmüller vom MPS, Erstautor der neuen Studie. "Obwohl Magnesium mit nur 0,0024 Prozent einen verschwindend geringen Teil der Sonnenmasse ausmacht, bietet uns dieses Element einen direkten Zugang zu dieser Region", ergänzt er.
Die neuen Daten zeichnen ein komplexes Bild der Chromosphäre: Dort, wo die Sonne inaktiv und ruhig ist, zeigen sich dunkle Bereiche mit einem Durchmesser von einigen tausend Kilometern umgeben von hellen Rändern. Dieses Muster entsteht durch die gewaltigen Plasmaströme, die aus dem Innern der Sonne aufsteigen, an ihrer Oberfläche abkühlen und wieder hinabsinken. Auffällig sind helle Punkte, die vereinzelt aufblitzen. In den ultravioletten Aufnahmen treten sie deutlich kontrastreicher zu Tage als zuvor. Wissenschaftler glauben, dass die hellen Punkte auf einzelne magnetische Flussröhren in der Photosphäre, die Grundbausteine des solaren Magnetfeldes, hinweisen. Das Magnetfeld ist von besonderem Interesse, da es für die gesamte Aktivität der Sonne verantwortlich ist.
Neben diesen ruhigen Bereichen der Sonne richteten die Forscher ihren Blick auch auf Regionen in direkter Nachbarschaft zu Sonnenflecken. Solche zum Teil riesigen, dunklen Strukturen überziehen die sichtbare Oberfläche der Sonne besonders zahlreich in Zeiten hoher Sonnenaktivität. "Dort zeigen sich in unseren Aufnahmen helle, langgezogene Strukturen, so genannte Fibrillen", so Riethmüller.
"Unsere ersten Auswertungen sind ausgesprochen vielversprechend", kommentiert Solanki die neuen Ergebnisse. "Sie zeigen, dass die ultraviolette Strahlung aus der Chromosphäre hervorragend geeignet ist, um feine Strukturen und Prozesse sichtbar zu machen". Die Forscher hoffen nun, dass die bevorstehenden Auswertungen der Sunrise-Daten weitere neue Erkenntnisse liefern werden. Zudem setzen sie auf eine enge Zusammenarbeit mit Kollegen der IRIS-Mission. Das Weltraumteleskop der amerikanischen Weltraumagentur NASA startete am 28. Juni dieses Jahres, einige Wochen nach dem Flug von Sunrise, ins All und untersucht ebenfalls die ultraviolette Strahlung der Chromosphäre und der Korona.
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