Höhlenfische: Einzigartiger Fischfund in Süddeutschland
Verglichen mit den Tropen trägt Europa keinen Rekordtitel für Artenvielfalt – mit einer Ausnahme: Weltweit kennt man nirgendwo so viele einzigartige Höhlenlebewesen wie auf dem westlichen Balkan, wo bislang 400 spezialisierte Arten nachgewiesen wurden (doch auch keine andere Region wurde wohl so gut erfasst). Dass dieser sehr spezielle Lebensraum in unserer Region ebenfalls noch Überraschungen liefern kann, zeigt ein Fund aus Süddeutschland: Im Donau-Aach-Karstsystem stießen Höhlentaucher und Biologen auf den ersten in Europa nachgewiesenen Höhlenfisch, wie Jasminca Behrmann-Godel von der Universität Konstanz und ihre Kollegen in "Current Biology" schreiben. Die zu den Schmerlen (Barbatula) zählenden Tiere hätten demnach bereits einzigartige Anpassungen an die Dunkelheit ihres Lebensraums entwickelt, und das in relativ kurzer Zeit. Biologen waren lange davon ausgegangen, dass Fische erst seit dem Ende der letzten Eiszeit nördlich der Alpen in Höhlen hatten vordringen können.
Entdeckt hat die Tiere der Hobbyhöhlentaucher Joachim Kreiselmaier, der sie 2015 bei einem Tauchgang in den tiefsten Bereichen des Donau-Aach-Systems gesichtet hat. Diese Abschnitte können nur bei besonders trockenen Bedingungen im Sommer und Herbst erreicht werden. Kreiselmaier fotografierte die "ungewöhnlich aussehenden" Fische und zeigte sie dem Hobbygeologen Roland Berka, der wiederum Behrmann-Godel kontaktierte. Der Fischtaxonom Jörg Freyhof vom Leibniz-Institut für Süßwasserökologie in Berlin bestätigte schließlich, dass die Fische schon echte Anpassungen an das Höhlenleben entwickelt haben.
Mit diesem Wissen ging Kreiselmaier erneut auf Tauchgang: "Vielleicht 30 Taucher haben jemals den Bereich erreicht, in dem die Fische leben." Wegen der normalerweise schlechten Sicht, der starken Strömung und Kälte sowie wegen des Höhlenlabyrinths im Eingangsbereich zum System kehren die meisten Taucher meist nicht mehr für einen zweiten Versuch zurück. Er selbst wagte dies im November 2015 erneut und fing dabei ein Exemplar des Wesens, vier weitere folgten im Jahr darauf. Damit konnten Behrmann-Godel und Co die Anatomie und Genetik der Schmerlen ausführlich untersuchen. Sowohl die Morphologie als auch der Erbgutvergleich belegen, dass die Höhlenschmerlen einen isolierten Bestand bilden, der keinen Kontakt mehr zu den Steinschmerlen (Barbatula barbatula) aus den Fließgewässern der Umgebung hat. Sie sind demnach der erste bekannte europäische Höhlenfisch.
Von ihren Verwandten unterscheiden sie sich unter anderem beispielsweise durch ihre stark zurückgebildeten Augen, weitestgehend fehlende Schuppen und deutlich abweichende Färbung. Beim größten gefangenen Exemplar deutet sich sogar bereits die für viele Höhlenarten typische fehlende Pigmentierung an: Den Tieren fehlt Farbe, und sie wirken blass. Dafür weisen sie eine geringere genetische Variabilität auf. Ausgehend von den Erbgutunterschieden und der geologischen Geschichte der Region vermuten die Wissenschaftler, dass die Schmerlen ihre neue Heimat vor maximal 16 000 bis 20 000 Jahren erobert haben und sich seit mehreren tausend Jahren isoliert von ihren Verwandten weiterentwickelt haben.
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