Sierpinski-Dreieck: Bakterien erzeugen einzigartiges Fraktal
Die Natur ist voller Fraktale – doch ein Bereich fällt dabei völlig heraus. Wenn es um Biomoleküle und die von ihnen gebildeten Strukturen geht, findet man keine Selbstähnlichkeit über verschiedene Größenskalen mehr. Warum das so ist, ist bisher unklar. Vor allem, weil es nun eine Ausnahme gibt, die umso bemerkenswerter ist. Ein von einem Team der Uni Marburg und dem Max-Planck-Institut für Terrestrische Mikrobiologie entdecktes Enzym bildet ein berühmtes Fraktal – das Sierpinski-Dreieck. In einer Veröffentlichung in der Fachzeitschrift »Nature« untersuchte die Arbeitsgruppe um Jan Schuller und Georg Hochberg, wie diese bisher einzigartige Eigenschaft evolutionär zu Stande kam. Es handele sich allerdings wohl um einen Zufall ohne biologische Bedeutung, berichtet das Team.
Bei dem Protein handelt es sich um eine Citratsynthase, ein Enzym, das im Bakterium Synechococcus elongatus das wichtige Zwischenprodukt Zitronensäure herstellt. Solche Proteine lagern sich meist zu größeren Komplexen zusammen. Das von der Arbeitsgruppe untersuchte Molekül geht jedoch noch weiter. Sechs Citratsynthasen lagern sich zu einem dreieckigen Komplex mit einer Lücke in der Mitte zusammen – und je drei dieser Komplexe wiederum verbinden sich über ihre Ecken zu einem größeren Dreieck, in dessen Mitte ein dreieckiges Loch klafft. Mit ein bisschen Mühe brachte das Team um Schuller und Hochberg diese Dreiecke ebenfalls dazu, eine noch größere Version des Dreiecks mit Loch in der Mitte zu bilden. Die so entstehenden Dreiecke haben unabhängig von ihrer Größe jeweils die gleiche Struktur – die Grundeigenschaft der Fraktale.
Theoretisch könnte man diesen Prozess beliebig fortsetzen; in der Praxis allerdings ist nach dem dritten Dreieck aus insgesamt 54 Citratsynthasen Schluss. Dennoch ist die Entstehung des Sierpinski-Dreiecks aus natürlichen Proteinen eine außergewöhnliche Entdeckung. Damit so eine Struktur entstehen kann, dürfen entlang der Kanten der Dreiecke keine Bindungsstellen für Proteine untereinander vorhanden sein. Gleichzeitig muss es an den Ecken der Dreiecke zwei Bindungsstellen in einem präzisen Winkel von 120 Grad zueinander geben. Dass das Protein diese beiden Bedingungen präzise erfüllt, deutet darauf hin, dass das Fraktal auch eine biologische Bedeutung hat. Doch Analysen der Arbeitsgruppe zeigen, dass alle Proteinteile, die das Fraktal ermöglichen, auch in nichtfraktalen Vorläufern des Enzyms vorhanden waren. Ihre Schlussfolgerung: Das molekulare Sierpinski-Dreieck evolvierte nicht – es ist ein glücklicher Zufall der Biologie.
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