News: Eisiger Vulkanismus auf Ganymed
Anhand der Voyager-Bilder ging man zunächst davon aus, dass sich infolge von Zerrungen der Ganymedkruste Grabenbrüche bildeten. Ähnlich wie im Fall des Rheintalgrabens senkten sich auch auf dem Jupitermond Teile der Kruste ab. Auf Ganymed stiegen schließlich Eismagmen auf und bedeckten die Tiefebenen mit einer gleichmäßigen Eisschicht. Diesen Vorgang, bei dem nicht geschmolzene Gesteine, sondern eine Mischung aus Eis und flüssigem Wasser aus der Tiefe aufsteigt, nennt man Kryovulkanismus (von kryos, griech.: Eis). Die tektonischen Prozesse, die Teile dieser Eisschichten prägten, hätten demnach zu einem späteren Zeitpunkt stattgefunden.
Doch als die Raumsonde Galileo Ende der 90er Jahre Bilder bisher nicht gekannter Qualität zur Erde funkte, suchten die Forscher vergeblich nach Hinweisen auf Vulkanismus. Außer bereits bekannten Strukturen, die den irdischen Calderen ähneln - vulkanischen Einsturzkratern also - fanden sich keine Eisströme oder sonstige, typisch vulkanische Strukturen. Stattdessen waren große Teile der Oberfläche weniger glatt als bis dahin vermutet. Im Gegenteil, überall waren tektonische Störungen und Bruchzonen zu erkennen. Und so wurde das vulkanische Modell verworfen und durch ein tektonisches ersetzt. Vielmehr läge das dunkle Material gleichsam wie eine Tischdecke auf der hellen Unterlage, die durch Zerrungen der dunklen Deckschichten zum Vorschein kommen.
Bevor sich Paul Schenk vom Lunar and Planetary Institute in Houston und seine Kollegen mit diesem Problem beschäftigten, fertigten sie dreidimensionale Bilder von der Oberfläche des Jupitermondes an. Dazu kombinierten sie Bilder eines Objektes, die aus leicht unterschiedlichen Perspektiven aufgenommen wurden. Betrachtet man die Bilder mit Hilfe eines Stereoskops, so erscheinen die Höhen und Tiefen des Bildes. Auf diese Weise entstand schließlich eine topografische Karte.
Dabei erkannten die Forscher, dass es auf Ganymed Höhenunterschiede von bis zu einem Kilometer gibt. Sie beobachteten zudem, dass die glatten und gleichförmigen Eisflächen in den tieferen Bereichen liegen, während die tektonisch heftig gestörten Eismassen nur in größeren Höhen vorkommen. Es sieht also so aus, als sei die vulkanische Tätigkeit auf die tief gelegenen Ebenen begrenzt, während die tektonischen Vorgänge die höher gelegenen Regionen prägen. Eines der Probleme beim Aufstieg der Eismagmen ist nämlich deren Dichteunterschied zur massiven Eisdecke. Schenk und Kollegen vermuten, dass der Auftrieb nur ausreicht, um die dünnere Eisbedeckung der Tiefebenen zu durchbrechen.
Doch warum zeigt sich das Magma in den glatten Tiefebenen nicht? Wenn es soviel davon gibt, warum gibt es keine Hinweise auf die tatsächliche Aktivität? Warum fehlen beispielsweise die "Lavaflüsse" und die typischen Ringwälle, die sie verursachen? Selbst ein Zusammenhang mit den Caldera-ähnlichen Formen ist bisher nicht sicher. Fragen, die auch diese Synthese beider Modelle nicht letztlich klärt. Doch dies könnte sich bald ändern, denn noch warten zahlreiche Nahaufnahmen vom Mai 2000 auf ihre Auswertung. Vielleicht gibt der frostige Jupitermond dann weitere Geheimnisse frei.
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