Eisriesen : Der Magnetfeld-Generator von Uranus und Neptun
Die beiden äußersten Planeten des Sonnensystems, Uranus und Neptun, sind weit genug von der Erde weg, um sich noch ein paar Geheimnisse bewahrt zu haben. Ein nicht aufgeklärtes Mysterium der beiden äußeren Planeten ist zum Beispiel die Quelle ihres Magnetfelds: Es gab bislang nur schlecht belegte Theorien darüber, wie es eigentlich entsteht. Nun haben Forscher im Fachblatt »Nature Physics« eine schon seit Längerem formulierte Hypothese untermauert. Demnach sorgt wahrscheinlich Konvektion, also ein Fluss geladener Teilchen, in exotischem heißen Eis der tieferen Planetenhülle über einen Dynamo-Effekt für das Magnetfeld.
Uranus und Neptun sind als »Eisriesen« anders aufgebaut als die Gasriesen Saturn und Jupiter, die wahrscheinlich feste Kerne haben und hauptsächlich von Helium und Wasserstoff umgeben sind. Stattdessen finden sich um Neptun und Uranus nur Wolkenhüllen aus Wasserstoff und Helium, darunter aber ein Gemisch aus Wasser, Methan und Ammoniak in Form von »Eis«; allerdings einer sehr besonderen Form. Weiter nach innen nehmen Druck und Temperatur in den Eisriesen rasch zu, verdichten das Wassereis sowie die Methan- und Ammoniakspuren stark. Je nach Stärke des Drucks entstehen aus Wasser verschiedene Varianten exotischer Wasserkristallstrukturen, bis die Wassermoleküle zerfallen und sich superionisches Eis bildet.
Das superionische Eis ist nun der Schlüssel für das Magnetfeld: Unter extremem Druck entstanden, besteht diese Form des Wassers nicht mehr aus im Kristall geordneten Molekülen, sondern zerfällt komplett in seine Bestandteile, also negativ geladene Sauerstoff- und positiv geladene Wasserstoffionen. Die positiven Wasserstoffionen könnten sich durch eine stationäre Masse aus negativen Sauerstoffionen bewegen und – eben als bewegte Ladungen – für das Magnetfeld sorgen. Also vielleicht auch für das Magnetfeld von Neptun und Uranus? Problematisch an der Spekulation war allerdings, dass der Druck im Inneren unserer Eisriesen womöglich nicht ausreicht, um Wasser in superionisches Eis zu verwandeln.
In der aktuellen Studie kommt ein internationales Team unter der Beteiligung des GeoForschungsZentrums in Potsdam (GFZ) und der Carnegie Institution for Science in den USA nun zum Schluss, dass der Druck im Inneren von Neptun und Uranus groß genug sein dürfte, um superionisches Eis der so genannten 18. und 20. Kristallstruktur des Wassers zu produzieren – also die Grundlage für das Magnetfeld. Die Forscher und Wissenschaftlerinnen hatten dazu Proben zwischen zwei Diamantschichten mit Hochenergielasern in superionisches Eis verwandelt. Dies gelang bei Bedingungen, die wahrscheinlich in einigen tausend Kilometer Tiefe unter der Oberfläche von Neptun und Uranus herrschen: einem Druck von 150 Gigapascal bei Temperaturen von rund 6500 Kelvin.
Den Experimenten zufolge ist es also durchaus denkbar, dass Konvektion im superionischen Eismantel das Magnetfeld der beiden äußeren Planeten verursacht. Dies würde auch die eigentümliche Art des Feldes erklären: Die Feldlinien laufen nicht wie etwa beim Erdmagnetfeld parallel und symmetrisch zur Rotationsachse des Planeten; sie sind stattdessen merkwürdig verdreht. Dies spricht dafür, dass es nicht infolge der Rotationsbewegung des geschmolzenen Planetenkerns entsteht wie das irdische Magnetfeld, sondern durch andere Prozesse – wie eben den Fluss geladener Teilchen in der heißen Wassereishülle. Wie genau diese Ströme fließen, bleibt unklar: Weitere Untersuchungen müssen auch klären, wie viskos das exotische Medium in den Tiefen der Eisriesen ist und welchen Einfluss das auf Konvektionsströme hat. Uranus und Neptun sind ausreichend mysteriös, um Fans und Planetenforschern Gründe genug für regelmäßige Lobbyarbeit zu liefern und um eine möglichst gut ausgestattete Sondenmission zu den beiden Eisriesen zu starten.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.