Amerika: Eiszeitamerikaner kamen früh ins Landesinnere
In den letzten Jahren haben Forscher immer besser erklären können, wie und wann der Mensch einst Amerika besiedelt hat: Archäologische Funde und Genanalysen legen nahe, dass Eiszeitpioniere mit maritimen Kenntnissen deutlich früher als zuvor gedacht aus dem Norden an der saisonal eisfreien Pazifikküste gen Süden vordrangen. Demnach gab es Amerikaner schon, bevor die großen schmelzenden Eisschilde auf dem Gebiet des heutigen Kanada und Alaska vor rund 14 800 Jahren einen gangbaren Landkorridor aus dem altangestammten Siedlungsraum Beringia nach Süden frei gemacht haben. Neue Funde bestätigen nun die frühe Wanderung: Womöglich schon vor 16 000 Jahren siedelten Menschen dauerhaft südlich der Eisbarrieren weit im Landesinneren Nordamerikas, berichten Wissenschaftler in »Science«.
Die Forscher um Loren Davis von der Oregon State University führen seit rund zehn Jahren Grabungen in der »Cooper's-Ferry«-Fundstelle im Westen des US-Bundesstaats Idaho durch. Dabei fanden sie allerlei alte Feuerstellen, Tierknochen, Abfallgruben und einige gut 13 000 Jahre alte Werkzeuge. Der Fundort liegt an der südlichen Grenze des einstigen Kordilleren-Eisschilds, der wohl erst etwa zur selben Zeit halbwegs bequem auf dem Landweg zu umgehen war. Seit einiger Zeit galt allerdings als ausgemacht, dass Menschen damals schon viel weiter in den Süden des Kontinents vorgedrungen sind. Und tatsächlich siedelten Menschen dabei offenbar eben nicht nur an der Küste und bewegten sich dabei allmählich südwärts, meint das Cooper's-Ferry-Team: Die Forscher stießen bei ihren neuen Grabungen nun auf verschiedene steinerne Projektilspitzen und Artefakte. Diese weisen auf eine mehrfache dauerhafte Besiedlung des Ortes im Landesinneren hin, die nach der Datierung vor 16 560 Jahren begann und mindestens bis vor 15 280 Jahren andauerte.
Die Projektilspitzen ähneln dabei deutlich denen, die im späten Pleistozän auch in Sibirien hergestellt wurden – und unterscheiden sich somit deutlich von den flächigen, kannelierten Spitzen, die für die spätere Clovis-Kultur Nordamerikas typisch sind. Die Clovis hatten lange als die ersten Siedler in Amerika gegolten, was seit einiger Zeit durch neue Funde und Datierungen aber widerlegt ist. Alle Belege deuten jetzt darauf hin, dass der Mensch den amerikanischen Kontinent schon vor dem Abschmelzen der Eisschilde besiedelt hat. Dabei gelangte er dann womöglich über Flusssysteme auch weit ins Landesinnere: Ins Gebiet des heutigen Idaho hätten Eiszeitpioniere mit Booten etwa gut über Schmelzwasserseen und das Vorläufer-Flusssystem von Columbia River und Snake River gelangen können, das am Ende der Eiszeit wahrscheinlich bis zum Salmon River gereicht hat, an dem Cooper's Ferry lag, rund 500 Kilometer entfernt vom Pazifik.
In Nordamerika gibt es nach den neuen Erkenntnissen nur noch eine ähnlich alte Fundstelle in Texas, wo Paläoamerikaner wohl vor rund 16 000 Jahren gesiedelt haben. Die Datierung dort erfolgte allerdings mit der etwas weniger genauen Methode der optischen Lumineszenz. Dort hatten Ausgräber ebenfalls Projektilspitzen der so genannten »Western-Stemmed«-Tradition gefunden, wie sie auch entlang der Pazifikküste und in Cooper's Ferry hergestellt wurden. Vielleicht waren diese charakteristisch für die Menschen, die Amerika noch in der Eiszeit von der westlichen Küste aus zu besiedeln begannen. Genanalysen legen allerdings nahe, dass mindestens zwei zum Teil deutlich spätere Einwanderungswellen die Bevölkerung des Kontinents dann noch einmal deutlich veränderten.
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