Tierische Intelligenz: Elefanten sollen einzelne Sprachen auseinanderhalten können
Menschen zählen – neben Löwen – zu den gefährlichsten Feinden frei lebender Elefanten. Aber nicht alle gleichermaßen: Während die nomadisch lebenden Massai immer wieder Tiere töten, stellen die außerhalb des kenianischen Amboseli-Nationalparks lebenden Kamba kaum eine Gefahr dar.
Das scheinen auch die Elefanten zu wissen: Hören sie aus einem Lautsprecher ein Satz in Maa, der Sprache der Massai, reagieren sie angespannter, als wenn ihnen ein Satz in Kikamba vorgespielt wird. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls ein Forscherteam um Karen McComb von der University of Sussex [1].
Gemeinsam mit Kolleginnen vom Amboseli Trust for Elefants in Kenia hat sie im gleichnamigen Nationalpark Versuche an wild lebenden Afrikanischen Elefanten (Loxodonta africana) gemacht. Die Forscherinnen nahmen Massai-Männer, -Frauen und -Jungen auf, die den Satz "Schau, schau, da drüben, eine Gruppe von Elefanten kommt näher!" in ihrer Muttersprache aufsagten. Außerdem ließen sie Kamba-Männer den Satz in deren Sprache einsprechen. Die Aufnahmen spielten sie dann einzeln und über Tage verteilt insgesamt 47 verschiedenen Elefantenherden vor.
Massai-Stimmen wirken bedrohlich
Wie würden die Tiere reagieren? Filmaufnahmen belegten, dass die Elefanten in den versteckten Stimmen eine Bedrohung erkannten – allerdings nicht in gleichem Maß: Gehörte die Stimme einem Massai-Mann, nahmen die Herden im Schnitt am ehesten eine Abwehrhaltung ein, witterten und lauschten länger oder traten häufiger den Rückzug an, als wenn die Stimme einem der anderen Sprecher gehörte. Das Ausmaß der Aufmerksamkeit, das die Forscherinnen beobachten, entsprach in etwa dem tatsächlichen Bedrohungspotenzial der Sprecher.
Offenbar sind die Elefanten sehr genaue Zuhörer, denn einen außergewöhnlich deutlichen Unterschied zwischen den beiden Sprachen gibt es nicht. Auch das Geschlecht des Sprechers erkennen die Tiere anscheinend anders als wir Menschen: Das zeigte sich, als die Wissenschaftlerinnen eine Software zur "akustischen Geschlechtsumwandlung" einsetzten. Vom Ergebnis ließen sich vielleicht menschliche Zuhörer in die Irre führen, nicht aber die Elefanten. Sie reagierten auf die feminisierte Männerstimme ähnlich wie auf die unbearbeitete Stimme und umgekehrt. Die allgemeine Stimmlage beispielsweise spielt demnach für die Elefanten keine Rolle, sondern vielleicht eher die von Mann zu Frau unterschiedliche Satzmelodie, mutmaßen die Forscherinnen.
Ergebnisse mit Vorsicht zu genießen
Leider liefert das Team in seiner aktuellen Veröffentlichung noch keine allzu starken Belege für ihre Annahme. Verglichen die Forscherinnen beispielsweise die Reaktionen auf Männerstimmen der Massai und der Kamba, beobachteten sie keine statistisch bedeutsamen Unterschiede im Fluchtverhalten oder im Lauschen, sondern nur im Wittern und Zusammenrotten der Herde. Hörten die Tiere die Stimmen von weiblichen Massai, rotteten sie sich hingegen etwa genauso oft zusammen wie bei Massai-Männerstimmen, lauschten und witterten aber weniger ausgiebig.
Solche unsystematischen Unterschiede deuten darauf hin, dass zufällige Schwankungen im Verhalten der Herde ein Ergebnis vorgaukeln, das nicht der Realität entspricht. Insgesamt wurden für die vier Teilversuche nur 142 Darbietungen unternommen, wobei manche Herden bis zu siebenmal eine Stimme zu hören bekamen, andere hingegen nur einmal. Besonders ängstliche oder mutige Herden konnten so möglicherweise das Ergebnis verzerren.
Dass die ethnische Zugehörigkeit eines Menschen für die Elefanten eine Rolle spielt, hat sich allerdings schon in früheren Studien gezeigt: So treten die Tiere durchweg den Rückzug an, wenn sie Kleidung eines Massai sehen oder riechen. Die Kleidung und der Geruch von Kamba lässt sie hingegen eher kalt [2].
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