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News: Elektron oder Loch?

Mit großer Resonanz nahm die Fachwelt Anfang letzten Jahres die Meldung auf, dass die unkomplizierte Verbindung Magnesiumdiborid schon bei 39 Kelvin zum Supraleiter wird. Doch was die ungewöhnlich hohe Übergangstemperatur bei diesem Material bewirkt, blieb lange unklar.
Elektronenverteilung
Im Februar 2001 überraschten Jun Akimitsu und seine Kollegen von der Aoyama-Gakuin University in Tokio mit ihrer Entdeckung, dass die vergleichsweise einfache Verbindung Magnesiumdiborid schon bei 39 Kelvin supraleitend wird. Zwar gibt es keramische Materialien – die so genannten Hochtemperatur-Supraleiter –, die noch wesentlich höhere Übergangstemperaturen aufweisen, doch für einen konventionellen Supraleiter markierten die 39 Kelvin einen neuen Rekord.

Nachdem sich diese Entdeckung in der Fachwelt herumgesprochen hatte, befassten sich viele Forschergruppen weltweit mit Magnesiumdiborid, um den Mechanismus hinter der Supraleitung genauer zu verstehen und mögliche Anwendungen auszuloten. "Wissenschaftler nehmen normalerweise an, dass Supraleitung auf den Zusammenschluss von Elektronen zu Paaren zurückzuführen ist", erklärt Yimei Zhu vom Brookhaven National Laboratory in Upton. "Obwohl das sicherlich auch bei den meisten Supraleitern der Fall ist, konnte man bislang nicht zeigen, inwieweit in Magnesiumdiborid Elektronen zur Supraleitung beitragen."

Theoretiker um James Davenport und Guenter Schneider, ebenfalls vom Brookhaven National Laboratory, prüften deshalb anhand von Rechnungen, ob denn nun die Elektronen oder vielleicht eher ihre Abwesenheit in Form von Löchern – also ihr positiv geladenes Pendant – als Ursache der Supraleitung in Frage kommen. Einiges sprach dafür, dass letzteres der Fall ist.

Um ihre Vermutung zu untermauern, untersuchten die Forscher die Elektronen- und Lochstruktur des Magnesiumdiborid mit zwei sich ergänzenden Methoden: Bei der ersten Technik, der Röntgen-Absorptions-Spektroskopie, nutzten die Wissenschaftler die intensive Röntgenquelle des National Synchrotron Light Source am Brookhaven Laboratory. Durch die Strahlung wurden die Elektronen von ihrem angestammten Platz verdrängt und füllten stattdessen die Löcher im Material aus. Auf diese Weise ließ sich die Lochdichte in Magnesiumdiborid ermitteln.

Bei der zweiten Methode, der Elektronen-Energie-Verlust-Spektroskopie, bestrahlten Zhu und seine Kollegen den Supraleiter mit den schnellen Elektronen eines Elektronenmikroskops. Ein Teil der Bewegungsenergie der Ladungsträger ging dabei durch Stöße im Material verloren, was die Position von Löchern verriet.

"Wir brauchten beide Techniken, da sie sich wunderbar ergänzen und sich so die Verteilung und Zahl der Löcher im Magnesiumdiborid genau bestimmen ließ", sagt Zhu. Und tatsächlich entsprach ihr Ergebnis den theoretischen Überlegungen: Denn offenbar sammeln sich die Löcher vor allem in den kristallinen Ebenen der Boratome, wo dann Wechselwirkungen zwischen ihnen auftreten, die schließlich die Supraleitung bewirken.

Johan Tafto von der University of Oslo, der ebenfalls an der Arbeit beteiligt ist, wagt einen Ausblick: "So wie wir nun mehr über die Eigenschaften des Magnesiumdiborids auf atomarer Ebene gelernt haben, bin ich mir sicher, dass wir in naher Zukunft auch mehr über die damit verbundenen makroskopischen Eigenschaften – wie eben die Supraleitung – erfahren. Vielleicht können wir dann auch den Ursprung der Supraleitung im Allgemeinen erklären."

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