Treffen Lichtquanten auf Atome, werden die Elektronen darin angeregt. Bei ausreichender Energiezufuhr verlassen die Teilchen das Atom sogar – gleich nachdem das Photon auftrifft. Diese Vorstellung wird nun von neuen Messungen korrigiert: Werden Elektronen auf unterschiedlichen Atomorbitalen gleichzeitig durch Lichtpulse angeregt, entweichen sie mit einer winzigen Zeitverzögerung.
Das Experiment | Die Photoemission von Elektronen aus Atomen durch einen Attosekunden-Lichtpuls (blauer Strahl) wird aufgezeichnet, indem die anschließende Bewegung der Teilchen gemessen wird. Dies geschieht mit einem zweiten sichtbaren Lichtpuls (roter Strahl).
In ihren Experimenten schickten Physiker um Martin Schultze vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching hochenergetische Laserpulse mit einer Dauer von rund vier Femtosekunden (10-15 Sekunden) im nahen Infrarot auf Neonatome. Zu diesem Laserpuls synchronisierten die Forscher einen weiteren Lichtblitz, der weniger als 180 Attosekunden (10-18 Sekunden) dauerte und dessen Wellenlänge sich im Extremen Ultraviolett des Spektrums befindet.
Der Attosekunden-Lichtblitz löste entweder Elektronen aus dem äußeren 2p- oder dem näher zum Atomkern liegenden 2s-Orbital. Mit dem synchronisierten Femtosekunden-Laserpuls zeichneten die Wissenschaftler dann auf, wann die Elektronen aus dem Atom austraten. Bei den Messungen stellte sich heraus, dass – trotz zeitgleicher Anregung der Elektronen – diese das Edelgasatom mit einem Zeitversatz von rund 20 Attosekunden verließen. Als wahrscheinliche Ursache für das "Zögern" der Elektronen nennen die Forscher Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Elektronen.
Photoemission | Künstlerischer Blick auf den Photoemissions-Prozess von Elektronen aus Atomen. Eine nur Attosekunden lang dauernde Photoemission zweier Teilchen aus verschiedenen Orbitalen wird aufgezeichnet von einer Lichtwelle (gelbe Linie). Die dadurch gewonnenen Bilder (rote Oberflächen) zeigen die Verzögerung der Anfangsbewegung der Teilchen. Sie ergibt sich für einzelne Elektronen, nachdem sie vom Attosekunden-Lichtstrahl getroffen wurden.
Mit mathematischen Berechnungen konnten Schultze und sein Team den Effekt zudem qualitativ bestätigen, kamen allerdings auf eine zeitliche Verzögerung von nur fünf Attosekunden. Die Ursache dieser Diskrepanz dürfte in der Komplexität des Neonatoms liegen, das neben dem Kern aus zehn Elektronen besteht, so die Autoren. Wegen der mangelnden Rechenkapazität von heutigen Supercomputern konnten nicht alle Wechselwirkungen im Atom einbezogen werden.
Der beobachtete 20-Attosekunden-Versatz in der Austrittzeit der Elektronen ist das bisher kürzeste jemals gemessene Zeitintervall in der Natur.
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