e-Signatur: Elektronische Unterschriften verleiten zu Unehrlichkeit
Viele Menschen fühlen sich weniger zur Wahrheit verpflichtet, wenn sie ein Dokument mit einer elektronischen Signatur unterzeichnen, als wenn sie per Hand unterschreiben. Das zeigt eine Untersuchung von Eileen Chou von der University of Virginia in Charlottesville. Elektronische Signaturen können viele Gesichter haben – von einem einfachen "Ich stimme zu"-Button, mit dem man bei zahlreichen Onlinediensten bestätigen muss, dass man die AGBs auch wirklich zur Kenntnis genommen hat, bis hin zu einem persönlichen Sicherheitszertifikat in Dateiform, das man jedes Mal anhängen muss, wenn man seine Steuererklärung elektronisch abgibt. Wie stark diese moderne Art des Unterschreibens, die im digitalen Zeitalter in immer mehr Situationen unsere handschriftliche Signatur ersetzt, unser Verhalten beeinflusst, hat Chou gleich in mehreren Experimenten untersucht.
In einem davon mussten die Probanden etwa in einem unbeobachteten Raum innerhalb von fünf Minuten so viele einfache Rechenaufgaben lösen, wie sie konnten. Anschließend sollten sie die Zahl der gelösten Aufgaben wahrheitsgemäß in ein Formular eintragen und die Rechenzettel im Mülleimer entsorgen. Je mehr Aufgaben sie geschafft hatten, desto mehr Lotterie-Lose durften sie sich am Ende aus einem Umschlag nehmen – und damit wuchs schließlich ihre Chance, einen Geldpreis zu ergattern. Mit einer Unterschrift – handschriftlich oder in Form ihres am Computer eingetippten Namens – musste ein Teil der Teilnehmer vor Versuchsbeginn bestätigen, dass sie die Regeln verstanden hatten und alle Angaben der Wahrheit entsprechen würden.
Was die Probanden nicht wussten: Die Forscherin hatte alle Formulare, Umschläge und Aufgabenzettel mit einem versteckten Kode versehen, fischte die Zettel anschließend wieder aus dem Papierkorb und schaute nach, wer bei seinen Angaben gelogen hatte. Dabei zeigte sich, dass Teilnehmer, die ihr Formular nur elektronisch am Computer signiert hatten, sich genauso oft ein paar Lotterie-Lose mehr erschummelten wie Kontrollprobanden, die gar nichts unterschreiben mussten. Jene Versuchspersonen, die per Hand unterschrieben hatten, machten dagegen ihre Abgaben stets wahrheitsgemäß. Andere e-Signatur-Verfahren wie etwa computergenerierte oder persönliche PIN-Nummern, mit denen die Teilnehmer ihre Angaben verifizieren sollten, oder eben ein Klick auf einen jener "Ich stimme zu"-Buttons lieferten ähnlich ernüchternde Ergebnisse.
Chou glaubt, dass das Problem der elektronischen Signaturen damit zusammenhängt, dass wir eine weniger starke Bindung zu ihnen haben und sie weniger als Erweiterung unseres Selbst begreifen. Entsprechend fühlen wir uns auch nicht so sehr an das gebunden, was wir da gerade unterschreiben. Das liegt auch daran, dass wir oft wenig Einfluss darauf haben, wie unsere digitale Unterschrift eigentlich aussieht. Handschriftliche Signaturen proben wir dagegen oft schon von Kindesbeinen an, sobald wir schreiben können. Möglicherweise, so glaubt Chou, ist das e-Signatur-Problem nur ein Generationenproblem, das sich legt, sobald mehr Menschen mit elektronischen Unterschriften aufwachsen. Grundsätzlich müsse man aber versuchen, die Bindung, die der Nutzer zu solchen Signaturen hat, zu stärken. Oder aber man besinnt sich auf Techniken, bei denen die handschriftliche Unterschrift in eine elektronische überführt wird.
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