News: Emigranten, Mitläufer und Täter
Es ist das schwärzeste Kapitel deutscher Geschichte, das die Kölner Wissenschaftshistorikerin Ute Deichmann da aufschlägt. Unter den Stichwörtern "flüchten, mitmachen, vergessen" fasst sie zusammen, wie sich der Nationalsozialismus auf Chemie und Biochemie an den deutschen und österreichischen Universitäten und Kaiser-Wilhelm-Instituten auswirkte: Anhand von Einzelschicksalen beschreibt sie die Entlassung und erzwungene Emigration aller jüdischen Chemiker und Biochemiker und ihrer wenigen nichtjüdischen Kollegen, die sich als Regimekritiker oder "Judenfreunde" zu erkennen gaben.
Die meisten nicht-jüdischen Wissenschaftler beugten sich aus Opportunität weitgehend den NS-Gesetzen. Einige unterstützten die nationalsozialistische Rassenideologie und Politik aktiv. Nonkonformismus und Hilfe für die jüdischen Kollegen blieben Einzelfälle. "Nach dem Kriegsende wurden viele Hochschullehrer durch die Entnazifizierungsbehörden der Alliierten entlassen. Die meisten wurden im Laufe der folgenden fünf Jahre wieder eingestellt oder emeritiert", berichtet Deichmann. "Selbst einige politische Aktivisten konnten wieder ordentliche Professoren werden." Besonders schmerzlich vermisste man im Ausland nach 1945 Worte des Bedauerns von den deutschen Kollegen.
Und die Auswirkungen auf die chemische Forschung als solche? Nicht nur verlor die bis dato international führende deutsche Chemie und vor allem die Biochemie mit der Verjagung oder Ermordung der jüdischen Forscher viele ihrer hellsten Köpfe. Das allgemeine Schweigen der deutschen Wissenschaftler – ein Versuch, die Mitverantwortung des Einzelnen in Vergessenheit geraten zu lassen – erschwerte den internationalen Austausch nach 1945 und verzögerte den Anschluss zurück gefallener Forschungsgebiete an das internationale Niveau noch weiter.
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