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News: Emigranten, Mitläufer und Täter

Eines der dunkelsten Kapitel deutscher Wissenschaftsgeschichte ist die Zeit des Nationalsozialismus. Auch Chemiker und Biochemiker haben sich damals gegenüber ihren jüdischen Kollegen schuldig gemacht. Eine Tatsache, die immer noch gerne verdrängt wird.
1938 beklagt sich der Ordinarius für Anorganische Chemie der Technischen Hochschule Berlin, Arthur Schleede, in einem Brief an die Deutsche Chemische Gesellschaft, dass noch immer einige jüdische Chemiker als Mitherausgeber deutscher wissenschaftlicher Zeitungen in Erscheinung träten. Schleedes Brief zeigt die charakteristische Haltung vieler Chemiker und Biochemiker in Deutschland nach 1933: Nicht nur akzeptierten fast alle den Ausschluss der Juden von allen wissenschaftlichen Unternehmungen, viele Wissenschaftler zeichneten sich auch durch vorauseilenden Gehorsam aus. Als Autoren und Mitherausgeber wissenschaftlicher Zeitschriften etwa wurden Juden nicht mehr toleriert, ohne dass gesetzliche Bestimmungen dies verlangt hätten.

Es ist das schwärzeste Kapitel deutscher Geschichte, das die Kölner Wissenschaftshistorikerin Ute Deichmann da aufschlägt. Unter den Stichwörtern "flüchten, mitmachen, vergessen" fasst sie zusammen, wie sich der Nationalsozialismus auf Chemie und Biochemie an den deutschen und österreichischen Universitäten und Kaiser-Wilhelm-Instituten auswirkte: Anhand von Einzelschicksalen beschreibt sie die Entlassung und erzwungene Emigration aller jüdischen Chemiker und Biochemiker und ihrer wenigen nichtjüdischen Kollegen, die sich als Regimekritiker oder "Judenfreunde" zu erkennen gaben.

Die meisten nicht-jüdischen Wissenschaftler beugten sich aus Opportunität weitgehend den NS-Gesetzen. Einige unterstützten die nationalsozialistische Rassenideologie und Politik aktiv. Nonkonformismus und Hilfe für die jüdischen Kollegen blieben Einzelfälle. "Nach dem Kriegsende wurden viele Hochschullehrer durch die Entnazifizierungsbehörden der Alliierten entlassen. Die meisten wurden im Laufe der folgenden fünf Jahre wieder eingestellt oder emeritiert", berichtet Deichmann. "Selbst einige politische Aktivisten konnten wieder ordentliche Professoren werden." Besonders schmerzlich vermisste man im Ausland nach 1945 Worte des Bedauerns von den deutschen Kollegen.

Und die Auswirkungen auf die chemische Forschung als solche? Nicht nur verlor die bis dato international führende deutsche Chemie und vor allem die Biochemie mit der Verjagung oder Ermordung der jüdischen Forscher viele ihrer hellsten Köpfe. Das allgemeine Schweigen der deutschen Wissenschaftler – ein Versuch, die Mitverantwortung des Einzelnen in Vergessenheit geraten zu lassen – erschwerte den internationalen Austausch nach 1945 und verzögerte den Anschluss zurück gefallener Forschungsgebiete an das internationale Niveau noch weiter.

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