Nachruf: Ende einer Radtour
Mit einer rauschhaften Heimfahrt auf dem Fahrrad beginnt die Geschichte des LSD: Albert Hofmann hatte vor 65 Jahren die Wirkung der von ihm entdeckten Droge per Selbstversuch getestet - offensichtlich ohne bleibende Schäden. Am 29. April 2008 starb er im Alter von 102 Jahren.
"Vergangenen Freitag, 16. April, musste ich mitten am Nachmittag meine Arbeit im Laboratorium unterbrechen und mich nach Hause begeben, da ich von einer merkwürdigen Unruhe, verbunden mit einem leichten Schwindelgefühl, befallen wurde. Zu Hause legte ich mich nieder und versank in einen nicht unangenehmen rauschartigen Zustand, der sich durch eine äußerst angeregte Phantasie kennzeichnete."
Dabei war dem am 11. Januar 1906 in der beschaulichen Kleinstadt Baden geborenen Schweizer nicht in die Wiege gelegt, als Schöpfer einer Droge in die Geschichte einzugehen. Als sein Vater, ein Werkzeugmacher in einer Fabrik, schwer erkrankte, musste Albert als ältester Sohn von vier Kindern die Familie mit ernähren und absolvierte zunächst eine kaufmännische Lehre. Nebenbei büffelte er für die Matura und konnte schließlich 1926 an der Universität Zürich sein Chemiestudium beginnen. Vier Jahre später wurde er promoviert und trat danach eine Stelle als Naturstoffchemiker bei Sandoz an. Dem Baseler Konzern blieb er bis zu seiner Pensionierung 1971 treu.
Schwindel, Angstgefühl, Lachreiz
Eine kleine Unachtsamkeit bescherte ihm am 16. April 1943 den "nicht unangenehmen rauschartigen Zustand". Vermutlich hatte er beim Hantieren mit LSD eine winzige Menge über die Haut aufgenommen.
Heute wissen wir, dass diese Menge fatal überdosiert war. Am 19. April 1943 notiert er um 17.00 Uhr, vierzig Minuten nach der Einnahme: "Beginnender Schwindel, Angstgefühl, Sehstörungen, Lähmungen, Lachreiz."
Der Fahrradtag
Danach begann der Horrotrip: "Schon auf dem Heimweg mit dem Fahrrad […] nahm mein Zustand bedrohliche Formen an. Alles in meinem Gesichtsfeld schwankte und war verzerrt wie in einem gekrümmten Spiegel. Auch hatte ich das Gefühl, mit dem Fahrrad nicht vom Fleck zu kommen. Indessen sagte mir später meine Assistentin, wir seien sehr schnell gefahren." Diese denkwürdige Radtour des 19. April ging als "Fahrradtag" in die Geschichte der LSD-Kultur ein. Zu Hause angelangt, steigerte sich der Rausch:
Ein ungeheuer potentes Mittel
Später wandelte sich der Rausch und ein "Gefühl des Glücks und der Dankbarkeit" durchströmte den Chemiker. Er erkannte das Potenzial des Wirkstoffs für die Psychiatrie und versuchte mit weit geringeren Dosierungen, den Dämon zu besänftigen. Doch die Geschichte sollte eine von ihm unbeabsichtigte Richtung einschlagen: Zunächst als bewusstseinserweiterndes Mittel der High Society eingenommen, avancierte LSD in den 1960er Jahren zur Massendroge – mit entsprechenden Folgen. 1966 wurde der Konsum in den USA verboten, ein Jahr später auch in Deutschland.
Am 29. April 2008 starb Albert Hofmann im Alter von 102 Jahren in seinem Heimatort Burg im Kanton Basel-Land.
Albert Hofmann hatte für diesen merkwürdigen Zustand zunächst keine Erklärung. Der Chemiker, der für den Schweizer Pharmakonzern Sandoz in Basel arbeitete, experimentierte mit Mutterkorn, um ein Kreislaufmittel zu entwickeln. Dabei war Vorsicht durchaus angebracht, schließlich hatte der in Roggenähren parasitierende Pilz im Mittelalter als "Antoniusfeuer" zahlreiche Menschenleben gefordert. Seine heilsame Wirkung beispielsweise als Wehenmittel war jedoch ebenfalls lange bekannt. Und aus einer Substanz des Pilzes, der Lysergsäure, hatte Hofmann im Jahr 1938 verschiedene Derivate hergestellt, darunter Lysergsäurediethylamid – besser bekannt unter der Abkürzung LSD.
Dabei war dem am 11. Januar 1906 in der beschaulichen Kleinstadt Baden geborenen Schweizer nicht in die Wiege gelegt, als Schöpfer einer Droge in die Geschichte einzugehen. Als sein Vater, ein Werkzeugmacher in einer Fabrik, schwer erkrankte, musste Albert als ältester Sohn von vier Kindern die Familie mit ernähren und absolvierte zunächst eine kaufmännische Lehre. Nebenbei büffelte er für die Matura und konnte schließlich 1926 an der Universität Zürich sein Chemiestudium beginnen. Vier Jahre später wurde er promoviert und trat danach eine Stelle als Naturstoffchemiker bei Sandoz an. Dem Baseler Konzern blieb er bis zu seiner Pensionierung 1971 treu.
Schwindel, Angstgefühl, Lachreiz
Eine kleine Unachtsamkeit bescherte ihm am 16. April 1943 den "nicht unangenehmen rauschartigen Zustand". Vermutlich hatte er beim Hantieren mit LSD eine winzige Menge über die Haut aufgenommen.
"Ich versank in einen nicht unangenehmen rauschartigen Zustand"
Hofmann war jedoch ganz Naturwissenschaftler: "Um der Sache auf den Grund zu gehen, entschloss ich mich zum Selbstversuch. Ich wollte vorsichtig sein und begann deshalb die geplante Versuchsreihe mit der kleinsten Menge, von der, verglichen mit der Wirksamkeit der damals bekannten Mutterkornalkaloide, noch irgendein feststellbarer Effekt erwartet werden konnte, nämlich mit 0,25 Milligramm." Heute wissen wir, dass diese Menge fatal überdosiert war. Am 19. April 1943 notiert er um 17.00 Uhr, vierzig Minuten nach der Einnahme: "Beginnender Schwindel, Angstgefühl, Sehstörungen, Lähmungen, Lachreiz."
Der Fahrradtag
Danach begann der Horrotrip: "Schon auf dem Heimweg mit dem Fahrrad […] nahm mein Zustand bedrohliche Formen an. Alles in meinem Gesichtsfeld schwankte und war verzerrt wie in einem gekrümmten Spiegel. Auch hatte ich das Gefühl, mit dem Fahrrad nicht vom Fleck zu kommen. Indessen sagte mir später meine Assistentin, wir seien sehr schnell gefahren." Diese denkwürdige Radtour des 19. April ging als "Fahrradtag" in die Geschichte der LSD-Kultur ein. Zu Hause angelangt, steigerte sich der Rausch:
"Ein Dämon hatte von meiner Seele Besitz ergriffen"
"Alles im Raum drehte sich, und die vertrauten Gegenstände nahmen groteske, meist bedrohliche Formen an. Sie waren in dauernder Bewegung, wie belebt, wie von innerer Unruhe erfüllt. Die Nachbarsfrau, die mir Milch brachte, erkannte ich kaum wieder. Das war nicht mehr Frau R., sondern eine bösartige, heimtückische Hexe mit einer farbigen Fratze. Ein Dämon war in mich eingedrungen und hatte von meiner Seele Besitz ergriffen. Eine furchtbare Angst, wahnsinnig geworden zu sein, packte mich." Ein ungeheuer potentes Mittel
Später wandelte sich der Rausch und ein "Gefühl des Glücks und der Dankbarkeit" durchströmte den Chemiker. Er erkannte das Potenzial des Wirkstoffs für die Psychiatrie und versuchte mit weit geringeren Dosierungen, den Dämon zu besänftigen. Doch die Geschichte sollte eine von ihm unbeabsichtigte Richtung einschlagen: Zunächst als bewusstseinserweiterndes Mittel der High Society eingenommen, avancierte LSD in den 1960er Jahren zur Massendroge – mit entsprechenden Folgen. 1966 wurde der Konsum in den USA verboten, ein Jahr später auch in Deutschland.
Heute laufen in der Schweiz wieder experimentelle Pilotstudien zur LSD-gestützten Psychotherapie von unheilbaren Angstzuständen. Hofmann hat diese neue Entwicklung mit großer Freude verfolgt. Er hatte immer an die pharmakologische Heilkraft seines Babys geglaubt, ohne dessen Risiken zu leugnen: "LSD ist ein ungeheuer potentes Mittel. Die Wirkung greift den Kern unseres Menschseins an, unser Bewusstsein. Denken wir nur an die gewöhnliche Energie und an die Atomenergie. Die Möglichkeiten sind gewaltig, aber entsprechend auch die Gefahren – genauso ist es mit LSD, der psychischen Atombombe. Es ist eine außerordentlich gefährliche Substanz."
Am 29. April 2008 starb Albert Hofmann im Alter von 102 Jahren in seinem Heimatort Burg im Kanton Basel-Land.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.