Genomprojekt: Endlich Ordnung im Glibber
Eine Milliarde Jahre ist es her, da wuselten unsere Vorfahren noch als Einzeller durch schlammige Pfützen und wussten nicht recht, ob sie Tier, Pflanze oder Pilz werden sollen. Einige reizte die Mehrzelligkeit offenbar gar nicht und blieben solitär. Und nochmals andere wählten einen schleimigen Mittelweg - die sozialen Amöben.
Der Schleimpilz Dictyostelium discoideum ist zweifellos eines der reizendsten Objekte, das Biologen staunenden Erstsemestlern in der Petrischale präsentieren. Erst rutschen die Amöben jede für sich mit wabbeligen Füßchen umher, auf der Jagd nach Bakterien. Werden diese knapp, trommelt ein chemisches Signal alle zusammen, und etwa hunderttausend Zellen ballen sich zu einer einzigen Wurst, die, oh Wunder, wie eine Schnecke dahin kriecht. Noch nicht genug, denn das glitschige Ding hat auch noch eine Reminiszenz an Pflanzen und Pilze im Repertoire. Bei der folgenden Metamorphose verwandelt sich die Schnecke in einen Fruchtkörper mit Stengel und Sporenkapsel. Dem Wind bleibt es dann überlassen, die nächste Amöbengeneration zu einem neuen, hoffentlich feuchten Zuhause zu wehen.
Bereits 1989 erstellte William Loomis von der Universität von Kalifornien in San Diego noch mit klassischen Methoden einen ersten Plan des Schleimpilz-Erbguts. Er verzeichnete einige hundert Gene auf sechs Chromosomen. Die nun von 97 Wissenschaftlern aus fünf Ländern angefertigte Karte enthüllte natürlich eine sehr viel detailiertere Landschaft, deren Profil den originellen Lebensstil der sozialen Amöbe widerspiegelt.
Allein zweihundert Gene enthalten den Bauplan für Proteine, die der Schleimpilz für die Fortbewegung in seinen verschiedenen Gestalten braucht. Das überraschte auch die Forscher vom Zentrum für Molekulare Medizin der Universität Köln, eines von vier am Genom-Projekt beteiligten deutschen Instituten. Obwohl sich die Arbeitsgruppe um Angelika Noegel und Ludwig Eichinger seit Jahren mit dem komplizierten mobilen Leben der Amöbe beschäftigt, ist für die Wissenschaftler gut die Hälfte der im Erbgut kodierten Zellskelettproteine Neuland.
Dictyostelium fleucht aber eben nicht nur in tierischer Manier räuberisch im Waldboden herum, sondern macht auch Perioden durch, wo er Pilze oder Pflanzen mimt und wie diese Zellulose in seine Zellwände einbaut. Daher lag ein besonderes Augenmerk der Forscher auf seinen Verwandschaftsbeziehungen gegenüber den großen Organismenreichen. Durch Vergleich der Amöbenerbgutsequenz mit anderen, schon sequenzierten Genomen konstruierten Bioinformatiker einen Blick in die Vergangenheit. In diesem Entwurf spalteten sich die Vorfahren von Algen, Mais und Reis schon ein gutes Stück später von der Entwicklungslinie der Pilze und Tiere ab als Dictyostelium. Noch vor den Pilzen verbschiedete sich dann auch der Amöben-Ahne von den Faunenvorläufern. Dennoch gleicht das genetisches Arsenal der exzentrischen Amöbe am meisten dem der Tiere, wahrscheinlich auch, weil sie auf so viele zur Bewegung notwendige Gene nicht verzichten wollte. Aber bei allen entdeckten Ähnlichkeiten überrascht es nicht, dass sie einen großen Teil ihrer Gene ganz für sich allein hat.
Mit seinen anderen Protozoen-Kumpanen wollte dagegen der Urschleimpilz übrigens sehr früh nichts mehr zu tun haben. Jedenfalls gilt die rückblickende Prognose für die Vorfahren jener Einzeller, deren Genom ebenfalls entschlüsselt ist, wie das der Krankheitserreger Leishmania und Plasmodium. Pech für die Parasiten, denn den Spaß, als riesige Wurst durch die Gegend zu schlurfen, haben sie so verpasst.
Wo Dictyostelium im Stammbaum der Lebewesen sein Heim hat, ist keine einfache Frage. Überhaupt sind die tierischen Einzeller, die so genannten Protozoen, mit Geißel- und Wimperntierchen oder Wurzelfüßern eine ziemlich unüberschaubare Sippe. Da sind Eidechse und Erbse enger miteinander verwandt als es so ein Ziliat mit einem Flagellaten ist. Wenigstens für ihren Liebling Dictyostelium discoideum verlangte es die Wissenschaftler nach Klarheit, und so gründeten sie wie zuvor für Maus, Reis, Fliege oder Wurm ein internationales Konsortium zur Genomsequenzierung. Nun liegen auch für diesen Modellorganismus sämtliche Gene entschlüsselt vor: Es sind etwa 12 500 und damit erheblich mehr als angenommen.
Bereits 1989 erstellte William Loomis von der Universität von Kalifornien in San Diego noch mit klassischen Methoden einen ersten Plan des Schleimpilz-Erbguts. Er verzeichnete einige hundert Gene auf sechs Chromosomen. Die nun von 97 Wissenschaftlern aus fünf Ländern angefertigte Karte enthüllte natürlich eine sehr viel detailiertere Landschaft, deren Profil den originellen Lebensstil der sozialen Amöbe widerspiegelt.
Allein zweihundert Gene enthalten den Bauplan für Proteine, die der Schleimpilz für die Fortbewegung in seinen verschiedenen Gestalten braucht. Das überraschte auch die Forscher vom Zentrum für Molekulare Medizin der Universität Köln, eines von vier am Genom-Projekt beteiligten deutschen Instituten. Obwohl sich die Arbeitsgruppe um Angelika Noegel und Ludwig Eichinger seit Jahren mit dem komplizierten mobilen Leben der Amöbe beschäftigt, ist für die Wissenschaftler gut die Hälfte der im Erbgut kodierten Zellskelettproteine Neuland.
Dictyostelium fleucht aber eben nicht nur in tierischer Manier räuberisch im Waldboden herum, sondern macht auch Perioden durch, wo er Pilze oder Pflanzen mimt und wie diese Zellulose in seine Zellwände einbaut. Daher lag ein besonderes Augenmerk der Forscher auf seinen Verwandschaftsbeziehungen gegenüber den großen Organismenreichen. Durch Vergleich der Amöbenerbgutsequenz mit anderen, schon sequenzierten Genomen konstruierten Bioinformatiker einen Blick in die Vergangenheit. In diesem Entwurf spalteten sich die Vorfahren von Algen, Mais und Reis schon ein gutes Stück später von der Entwicklungslinie der Pilze und Tiere ab als Dictyostelium. Noch vor den Pilzen verbschiedete sich dann auch der Amöben-Ahne von den Faunenvorläufern. Dennoch gleicht das genetisches Arsenal der exzentrischen Amöbe am meisten dem der Tiere, wahrscheinlich auch, weil sie auf so viele zur Bewegung notwendige Gene nicht verzichten wollte. Aber bei allen entdeckten Ähnlichkeiten überrascht es nicht, dass sie einen großen Teil ihrer Gene ganz für sich allein hat.
Mit seinen anderen Protozoen-Kumpanen wollte dagegen der Urschleimpilz übrigens sehr früh nichts mehr zu tun haben. Jedenfalls gilt die rückblickende Prognose für die Vorfahren jener Einzeller, deren Genom ebenfalls entschlüsselt ist, wie das der Krankheitserreger Leishmania und Plasmodium. Pech für die Parasiten, denn den Spaß, als riesige Wurst durch die Gegend zu schlurfen, haben sie so verpasst.
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