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Energiewende: Wie gelingt die Digitalisierung des Stromnetzes?

Den Strom von Wind und Sonne geschickter zu verteilen, würde die Umstellung auf eine klimaneutrale Energieversorgung erleichtern. Forschungsergebnisse zeigen, wie weit der Weg noch ist.
Strommasten mit leuchtenden Drähten
Das deutsche Stromnetz braucht ein Update – doch der Weg dahin ist noch weit.

Zeit gewinnen. Das ist für Christian Rehtanz mit Blick auf die Stromnetze jetzt besonders wichtig. Denn die Millionen Solaranlagen, Wärmepumpen und Elektroautos sind ein echter Stresstest für die Netze, sagt der Professor am Lehrstuhl für Energiesysteme der TU Dortmund. »Die Reserve, die in den unteren Netzebenen drin ist, die ist jetzt aufgebraucht«, mahnt Rehtanz. Fällt eine Leitung aus, übernehmen automatisch andere die Übertragung. Das Stromnetz verkraftet auf diese Weise jederzeit den Ausfall einer Leitung – zumindest bisher.

Denn mit dem Erfolg der erneuerbaren Energien wachsen auch die Herausforderungen, vor allem für das Stromnetz. Dieses wurde als Einbahnstraße konzipiert, die Strom von wenigen fossilen Großkraftwerken bis zu Haushalten und Industriebetrieben transportiert. Inzwischen speisen aber allein in den kleineren Orts- und Verteilnetzen überall im Land mehr als drei Millionen Solaranlagen Grünstrom ein. Rund 95 Prozent der erneuerbaren Energien landen im Verteil- oder Niederspannungsnetz.

Mit mehr Elektroautos und Wärmepumpen steigt außerdem der Grundbedarf an Strom. Die Bundesnetzagentur schätzt, dass sich der jährliche Stromverbrauch bis 2045 verdoppeln wird. Eine ausgesprochen große Herausforderung stellt zudem die Gleichzeitigkeit der Stromnutzung dar, betont Rehtanz. Gehen viele große Verbraucher wie Elektroautos oder Wärmepumpen gleichzeitig in Betrieb, kann das die Stromnetze destabilisieren und zu Netzengpässen führen. Diese entstehen, wenn Produktion und Verbrauch in einem bestimmten Abschnitt nicht ausgeglichen sind. Um dieses Gleichgewicht wieder herzustellen, müssen vorübergehend entweder Kraftwerke vom Netz genommen oder größere Stromverbraucher aufgefordert werden, den Strombedarf zu reduzieren. Solche Maßnahmen sind allerdings teuer: Jährlich liegen die Kosten dafür in Deutschland im Milliardenbereich.

»Wir haben nicht genügend Bagger und Fachkräfte«Christian Rehtanz, Energieforscher

Um diesen und anderen Problemen zu begegnen, rechnet die Bundesnetzagentur in den nächsten zehn Jahren mit einem Investitionsbedarf von rund 42 Milliarden Euro für den Ausbau der örtlichen Stromverteilnetze. Bis 2045 sollen weitere 328 Milliarden Euro in die großen Stromübertragungsnetze investiert werden müssen, schätzt die Bundesregierung. Allerdings gibt es laut Rehtanz ein Problem: »Wir haben nicht genügend Bagger und Fachkräfte – auch die Produktion von Kabeln und Trafohäuschen lässt sich nicht beliebig skalieren.«

Daher steigt der Druck, die vorhandene Infrastruktur klüger zu nutzen, erklärt der Forscher. Die Digitalisierung der Netze, also der gezielte Einsatz von Sensoren, Mess- und Steuerungstechnik, könnte helfen, die nötigen Investitionen zu priorisieren: in dringliche Aufgaben und in aufschiebbare.

Fehlende Informationen

»Je mehr wir darüber wissen, desto besser können wir die Netze nutzen, die es heute gibt«, sagt Kathrin Goldammer, die das Reiner Lemoine Institut in Berlin leitet. Das Forschungsinstitut arbeitet an Analysen und Modellen für eine Zukunft mit 100 Prozent erneuerbaren Energien. Heute fehlen noch viele Informationen über und aus dem Netz, so Goldammer. »Wir wissen nicht, wie viel Strom die Haushalte zu welcher Minute oder Stunde des Tages verbrauchen.«

Hauptgrund für die fehlenden Netznutzungsdaten ist der seit vielen Jahren verschleppte Einbau intelligenter Stromzähler. Während in Ländern wie Dänemark, Schweden oder Finnland alle Haushalte mit solchen Geräten ausgestattet sind, waren es in Deutschland im Jahr 2021 weniger als ein Prozent der 50 Millionen Messstationen. Und auch seither sind die Fortschritte beim Einbau überschaubar.

Regenerative Energien auf dem Vormarsch

Längst vorbei sind die Zeiten, als deutsche Stromversorger behaupten konnten: »Regenerative Energien wie Sonne, Wasser oder Wind können auch langfristig nicht mehr als vier Prozent unseres Strombedarfs decken.« Wer diesen Spruch aus dem Jahr 1993 heute liest, weiß, dass es anders gekommen ist. Im ersten Halbjahr 2024 deckten erneuerbare Energien rund 60 Prozent des Strombedarfs in Deutschland – bis 2030 sollen es 80 Prozent werden.

Während die Betreiber großer Stromtrassen (Übertragungsnetze) bereits seit den 1970er Jahren in digitale Leitwarten investiert haben, verzichtete man bei lokalen Orts- und Verteilnetzen aus Kostengründen auf Digitalisierung. Lange war das auch gerechtfertigt: In einer Stromwelt mit nur 500 fossilen Großkraftwerken und ohne E-Autos oder Wärmepumpen war das nicht nötig. Inzwischen hat sich das aber grundlegend geändert – und nicht wenige Expertinnen und Experten sagen offen, dass die unteren Verteilnetz-Ebenen im Stromnetz derzeit »im Blindflug« betrieben werden.

Standards für das flexible Stromnetz

In der kleinen Schwarzwaldgemeinde Freiamt führten der Verteilnetzbetreiber NetzeBW und Forschungspartner bis zum Jahr 2023 ein Experiment im Rahmen des Projekts FlexQGrid durch. In 41 Haushalten dreier Straßenzüge wurde ein digitales Testnetz eingerichtet: Die Häuser, die über PV-Anlagen auf dem Dach, Batteriespeicher, Wärmepumpen oder Elektroautos verfügten, wurden mit Mess-, Steuer- und Kommunikationstechnik miteinander verbunden. Die zentrale Frage: Lassen sich die Haushalte und ihre großen Stromverbraucher so flexibel digital steuern, dass keine lokalen Netzengpässe auftreten?

In einem automatisierten Prozess, bei dem die Haushalte vorab ihre Präferenzen einprogrammieren konnten, wurden Ladezeiten für Wärmepumpen, Batteriespeicher und Elektrofahrzeuge für eine flexible Nutzung vorbereitet. Bei drohenden Netzengpässen wurde die Ladegeschwindigkeit von Elektroautos und Co. vorübergehend gedrosselt – was das Laden nicht verhindert, sondern lediglich in die Länge zieht. So gelang es, Engpässe tatsächlich zu vermeiden. »Das ist ein Potenzial, das wir nutzen können«, erläutert Alix von Haken, eine Teilnehmerin von FlexQGrid. »Um die Flexibilität im Netz wirklich nutzen zu können, gibt es aber noch viel zu tun, insbesondere was die Standardisierung der Schnittstellen zwischen Kundenanlagen und Energiemanagementsystemen angeht.« Zudem brauche es eine robustere Kommunikationsinfrastruktur. »Es war eine Herausforderung, in einem Keller Mobilfunkempfang im Zählerschrank zu bekommen, da haben wir viel dazugelernt«, sagt von Haken.

»Dieses seltene Eingreifen, um genau diese Lastspitzen im Netz rauszunehmen, spart Milliarden an Ausbaukosten ein«Christian Rehtanz, Energieforscher

Anfang 2024 hat die Bundesnetzagentur eine Regelung eingeführt, die an solche Ansätze anknüpft. Die neue Regel soll einen zügigen Anschluss von Wärmepumpen und E-Ladesäulen ans Netz garantieren – im Gegenzug aber Eingriffe durch den Netzbetreiber bei Engpässen erlauben. Um eine Überlastung zu verhindern, können Betreiber steuerbare Stromverbraucher wie E-Ladesäulen oder Wärmepumpen vorübergehend »dimmen«. Das soll allerdings nur in Notfällen zum Tragen kommen. »Dieses seltene Eingreifen, um genau diese Lastspitzen im Netz rauszunehmen, spart Milliarden an Ausbaukosten ein«, sagt Christian Rehtanz.

Mehr Transparenz in die Blackbox Verteilnetz

Die Energieforschung kann Betreibern dabei helfen, die Digitalisierung der Netze voranzutreiben. Allerdings müssten die Betreiber dafür noch einige Hausaufgaben machen, sagt Energietechnikexpertin Goldammer. Zum Beispiel fehle es oft an Transparenz. »Wir haben öfter das Gefühl, dass Stromnetze gerne wie eine Blackbox gehandhabt werden«, sagt sie. Da sei viel Luft nach oben, pflichtet ihre Kollegin Ilka Cußmann bei, die am Reiner Lemoine Institut für die Transformation von Energiesystemen zuständig ist. »Je weiter man in den Netzebenen nach unten geht, also in die Mittelspannungs- oder Niederspannungsnetze, desto weniger Daten sind in digitaler Form vorhanden.« Konkrete Lagepläne über die unterirdisch verlegten Kabel lägen, wenn überhaupt, in Papierform vor. Zu Forschungszwecken könnte man sie damit nur eingeschränkt oder gar nicht nutzen.

Nicht selten verweisen die Betreiber darauf, dass es sich um kritische Infrastruktur handle, die durch zu viel Transparenz gefährdet wird. Für Goldammer ist diese Argumentation nicht überzeugend. »Ich kann in den Niederlanden oder in Teilen der USA eine Art Netz-Ampel sehen, an der ich erkenne, welche Leitungen voll ausgelastet sind und welche noch nicht.« Solche Informationen wünscht sich die Forscherin auch für Deutschland.

Stromnetz | Damit der Strom möglichst verlustfrei von den Erzeugern zu den Verbrauchern kommt, sind mehrere Umspannwerke nötig. Denn die Leitungen werden mit unterschiedlichen Spannungen betrieben.

Die Bundesnetzagentur hat diesen Missstand erkannt und verpflichtet die Verteilnetzbetreiber dazu, aktuelle und künftige Netzlagepläne sowie Ausbauvorhaben auf die öffentlich zugängliche Plattform VNBdigital hochzuladen. Dadurch soll deutlich werden, wo und wie Stromleitungen mit welcher Spannung verlaufen und wo Netzanschlüsse liegen. Solche Daten sind wichtig, um für Modellrechnungen ein möglichst präzises digitales Abbild des Stromnetzes zu entwickeln. »Die Netzbetreiber erfüllen die Anforderungen dieser Plattform, aber in einem absoluten Minimalzustand«, sagt Goldammer. Statt digitale und georeferenzierte Daten zur Verfügung zu stellen, machten die knapp 900 bundesweit tätigen Verteilnetzbetreiber teilweise Bilder von alten Netzkarten und luden diese dann als PDF hoch. »So verlieren wir natürlich alle Möglichkeiten, mit diesen Daten weiterzuarbeiten«, bedauert Goldammer.

Trippelschritte zur dynamischen Energiewelt

Für Rainer Pflaum, Mitglied der Geschäftsführung von TransnetBW, geht es bei der Digitalisierung um mehr als Daten und IT-Infrastrukturen. Die Firma betreibt eines der vier großen Netze für Stromautobahnen in Deutschland. Gemeinsam mit TenneT, 50Hertz Transmission und Amprion transportieren die Netze Strom über insgesamt 37 000 Kilometer quer durch Deutschland. »Wir brauchen eine Haltungsänderung«, betont Pflaum. »Jeder von uns kann dazu beitragen, die Energiewende sicherer und kostengünstiger zu machen.« Zum Beispiel mit Hilfe der StromGedacht-App seines Unternehmens.

»Wir führen das Netz stabil, aber die Kosten dafür gehen in bestimmten Phasen durch die Decke«Rainer Pflaum, Geschäftsführer von TransnetBW

Die App soll Menschen für das Thema der Netzstabilität sensibilisieren. Wenn der Betreiber Engpässe in seinem Versorgungsgebiet erwartet, ruft sie dazu auf, Ladevorgänge aufzuschieben. Das Farbschema der dazugehörigen Netzampel: Grün bedeutet Stabilität, Supergrün zeigt hohe Überschüsse an Wind- und Solarstrom an, die bevorzugt genutzt werden sollten. Orange markiert Zeiten, in denen Netzengpässe möglich sind, wenn alle Stromkunden ihre Verbräuche konstant halten. »Wir führen das Netz stabil, aber die Kosten dafür gehen in bestimmten Phasen durch die Decke. Nämlich hauptsächlich dann, wenn wir ausländische Netzreserven einkaufen müssen«, sagt Pflaum.

Inzwischen haben 300 000 Kunden die App heruntergeladen. Eine neue Programmierschnittstelle, mit der die Stromnutzer die Echtzeitdaten abonnieren und für ihre Hauselektronik nutzen können, steht ebenfalls bereit. In einem Pilotprojekt in Sindelfingen wurden die E-Ladesäulen eines Betriebsfuhrparks mit der Schnittstelle verknüpft, um so in orangefarbenen Zeiten Ladevorgänge zu stoppen.

Engpässe im Stromnetz

Nur in absoluten Ausnahmefällen müssen Windräder oder Solarparks tatsächlich vom Netz genommen werden. Im ersten Quartal 2024 wurden 97 Prozent des produzierten Ökostroms auch genutzt. Obwohl die Hälfte der in diesem Quartal abgeregelten regenerativen Anlagen an das lokale Verteilnetz angeschlossen waren, zeigte sich der spätere Netzengpass in drei von vier Fällen auf den großen Stromautobahnen – also den Übertragungsnetzen von TenneT, 50Hertz, Amprion und TransnetBW. Das zeigt: Die Balance im Stromnetz zu halten, ist eine Aufgabe, die Stromautobahnen und Ortsnetze gleichermaßen fordert. Deutschlandweit verursachten Netzengpassbeseitigungen, so genannte Redispatch-Maßnahmen, im Jahr 2022 Kosten von mehr als vier Milliarden Euro. Im Jahr darauf reduzierten sie sich auf rund drei Milliarden Euro.

Seit 2021 betreiben der Verteilnetzbetreiber Netze BW und TransnetBW auch die cloudbasierte IT-Plattform DA/RE. Sie soll den Datenaustausch zwischen Betreibern bei Engpässen besser koordinieren. Passen Stromproduktion und Bedarf an bestimmten Orten nicht zusammen, können so Reservekraftwerke schnell und flexibel aktiviert werden. Bei Überkapazitäten werden hingegen zuerst fossile Kraftwerke abgeregelt, bevor man Wind- oder Solaranlagen vom Netz nimmt. Die IT-Plattform wird bereits von 46 Netzbetreibern und Forschungsinstitutionen für Anwendungen genutzt – von der Höchstspannungsebene bis zum lokalen Verteilnetz.

Schluss mit digitalen Insellösungen

Für Jens Strüker sind solche Lösungen begrüßenswert – greifen aber zu kurz. Der Wirtschaftsinformatiker ist Professor für Digitales Energiemanagement an der Universität Bayreuth und fordert: Die Digitalisierung der Stromnetze braucht einen allgemeinen Ansatz, keine Insellösungen. So sollte man einmal registrierte Informationen wie die Stammdaten von Nutzern oder Anlagen in jeder neuen IT-Plattform weiter nutzen dürfen. Das würde Bürokratie abbauen und Zeit sparen. Im besten Fall könnten Anlagen, Maschinen und Energiemanagementsysteme sogar eigenständig untereinander kommunizieren. Doch davon ist die Realität noch ein ganzes Stück weit entfernt, sagt Strüker. »Wir kommunizieren zwischen Anlagen und Akteuren immer noch via E-Mail und Excel-Files.« Es fehle eine durchdachte Ende-zu-Ende-Kommunikation.

Ein Beispiel dafür ist das amtliche Marktstammdatenregister. Seit 2019 müssen darin PV-Anlagen, Windräder, Batteriespeicher oder Blockheizkraftwerke registriert werden. Mehr als drei Millionen Stromerzeugungsanlagen wurden bereits online gemeldet. Aber relevante Akteure wie Elektroautos oder Wärmepumpen fehlen in dem Register bis heute. Der Blick ist weiter allein auf Stromerzeugungsanlagen verengt. Auch eine Verknüpfung zwischen dem Marktstammdatenregister und den intelligenten Stromzählern fehlt. Wer also den Strom aus seinem heimischen Batteriespeicher oder der PV-Anlage mal selbst verbrauchen, mal extern vermarkten wollte, muss für diesen Rollenwechsel einen Brief schreiben, sagt Strüker. Es gibt zwar Start-ups wie Enpal oder 1KOMMA5Grad, die Gesamtlösungen für Eigennutzung und Verkauf von PV-Strom anbieten – allerdings mit einem entscheidenden Nachteil, wie Strüker erklärt: »Dort verpflichte ich mich und bin dann auf Gedeih und Verderb an diesen Anbieter gebunden.«

Bürokratieabbau durch digitale Identitäten

Dort versucht das Projekt »Digitale Identitäten als Vertrauensanker im Energiesystem« anzusetzen. 15 Projektpartner, darunter Netzbetreiber und Universitäten, wollen durch die Deutsche Energie-Agentur DENA digitale Identitäten etablieren, welche die Digitalisierung der Stromnetze voranbringen sollen. Eine digitale Identität ist mit einer analogen wie dem Personalausweis vergleichbar. Neben einer eindeutigen Identifikationsnummer können weitere Eigenschaften wie Name oder Ort gespeichert werden. Alles ist automatisiert auslesbar.

Dabei sollen unterschiedliche Anlagen flexibel verschiedene Rollen im Stromnetz wahrnehmen können – jederzeit kontrolliert und gegebenenfalls auch vom Netzbetreiber steuerbar. Der Batteriespeicher im eigenen Keller kann, wenn er geladen ist, als Stromerzeuger agieren und dem Netz benötigte Energie zur Verfügung stellen. Bei Überschüssen nimmt der Speicher hingegen seine eigentliche Rolle war und zieht Energie aus dem Netz. Die gespeicherte Energie kann dann später verbraucht oder erneut weiterverkauft werden.

Ein mit einem solchen Speicher verknüpftes Marktstammdatenregister könnte damit in Echtzeit mitbekommen, dass eine Anlage für eine gewisse Zeit die eine oder die andere Rolle übernimmt, erklärt Strüker. Dass der Speicher automatisiert erkannt und sein Energiebezug abgerechnet werden kann, ermöglicht die Technologie rund um digitale Identitäten. Auch dezentrale Energielieferverträge sind mit digitalen Identitäten deutlich einfacher umsetzbar. Noch müssten jedoch knifflige Fragen gelöst werden, gibt Strüker zu bedenken, zum Beispiel: »Wer legt fest, was eine digitale Identität genau auszeichnet und welche Rechte jeweils dahinterstehen?«

Um digitale Stromnetze sicher zu betreiben, müssen die genutzten Daten besonders gesichert sein. Kommerzielle Cloud-Dienste erfüllen weder die Anforderungen des europäischen Datengesetzes noch die Anforderungen des European Data Governance Acts. Der Bund fördert deshalb das Forschungsprojekt energy data-X, das einen datenschutzkonformen Datenraum für die Energiewirtschaft bieten soll, der die Sektoren Strom, Verkehr und Wärme miteinander verbindet. Die Daten sollen dabei dezentral gespeichert werden und beim Eigentümer bleiben. Ein Identifikationsverfahren stellt sicher, dass die Akteure innerhalb der Plattform vertrauenswürdig und vor allem echt sind. Der Vorteil daran sei, so Strüker, dass der Datenaustausch grenzenlos möglich ist. »Die heutigen Systeme, die Marktkommunikation und Bewegungsdaten im Energiemarkt austauschen, sind nicht hochskalierbar«, sagt Strüker.

Schade nur, dass nicht einmal im dafür zuständigen Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ein Ansprechpartner für derlei Aufgaben zu finden ist

Bis digitale Identitäten, Datenräume und automatisierte Abrechnungsprozesse das Stromnetz der Zukunft prägen, wird es noch dauern. Auch hier müssen erst dringende Fragen beantwortet werden, wie: Wer garantiert die Identität eines Akteurs im Datenraum? Welche Rolle kommen den Verteil- und Übertragungsnetzbetreibern zu?

Um solche und weitere Fragen rund um die Digitalisierung der Stromnetze zu beantworten, ist eine kritische Bestandsaufnahme des heutigen Energiemarkts nötig. Schade nur, dass nicht einmal im dafür zuständigen Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ein Ansprechpartner für derlei Aufgaben zu finden ist. Wer treibt diesen ganzheitlichen Ansatz also voran?

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