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News: Entgleisung im Immunsystem

Normalerweise greift das Abwehrsystem unseres Körpers nur die gesundheitsgefährdenden Bakterien, Viren und Fremdkörper an, die in unseren Körper eingedrungen sind. Nicht so bei Autoimmunerkrankungen: Eine Fehlprogrammierung sorgt dafür, dass die Immunzellen sich auch gegen körpereigenes Gewebe wenden - mit oft schwerwiegenden Folgen. Jetzt haben Forscher einen Eiweißschalter identifiziert, der dieses Fehlverhalten des Immunsystems verhindern könnte.
Multiple Sklerose, rheumatoide Arthritis und einige andere Leiden sind die Folge eines Irrtums der körpereigenen Gesundheitspolizei. So kommt es zu einer Autoimmunerkrankung, bei der die Immunzellen nicht mehr zwischen "selbst" und "fremd" unterscheiden. Welche Mechanismen und Signale im Detail dazu führen, dass das Abwehrsystem verrückt spielt, ist allerdings noch weitgehend ungeklärt.

Jetzt aber hoffen zwei Wissenschaftlerteams neue Impulse für die Erforschung der Autoimmunerkrankungen geliefert zu haben. Die Forscher konnten ein Enzym identifizieren, das als wichtiger Signalgeber im Immunsystem die verhängnisvolle Entstehung von Autoimmunerkrankungen verhindert: die Proteinkinase C-delta.

Michael Leitges und seine Kollegen vom Max-Planck-Institut für experimentelle Endokrinologie beschäftigten sich mit der funktionellen Analyse von Proteinkinase-C-Enzymen (PKC). Diese Enzyme spielen eine wichtige Rolle bei der Signalübertragung in der Zelle: Durch Phosphorylierung aktivieren oder deaktivieren sie einzelne Proteine und fungieren somit als Schalter für die Weiterleitung von Signalen innerhalb einer Signalübertragungskette. Ihr Funktionsspektrum reicht von einer Beteiligung bei neuronalen Prozessen bis hin zur Immunabwehr und anderen immunologischen Vorgängen. Schon früh gelang es Leitges und seinem Team nachzuweisen, dass bestimmte Isoformen, also Strukturvarianten der Proteinkinase C, wichtig für ein funktionsfähiges Immunsystem sind.

Für ihre Untersuchungen nutzten die Forscher so genannte Knockout-Mäuse, die in ihrem Körper bestimmte Proteinkinasen nicht mehr produzieren. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Alexander Tarakhovsky vom Rockefeller Institut in New York konnten die Wissenschaftler jetzt am Mausmodell zeigen, dass die so genannte Delta-Isoform der Proteinkinase C an Prozessen beteiligt ist, die die Entwicklung einer Autoimmunität unterbinden.

Die Delta-Isoform ist eine von insgesamt elf Mitgliedern der Proteinkinase-C-Familie. Mäuse, denen diese Form der Proteinkinase fehlte, zeigten nun Entgleisungen im Immunsystem: Es entstanden so genannte autoreaktive B-Zellen, die körpereigenes Gewebe angreifen. Normalerweise produzieren B-Zellen Antikörper gegen Fremdstoffe und übernehmen damit eine wichtige Aufgabe in unserem Immunsystem. B-Zellen, die falsch programmiert sind, werden in einem gesunden Organismus selektiv abgetötet oder inaktiviert. Auf diese Weise wird eine Reaktion gegen den eigenen Körper verhindert. In der Mausmutante, die das besagte Enzym nicht herstellte, waren aber die falsch programmierten, autoreaktiven B-Zellen nach wie vor aktiv. Sie produzierten Antikörper und lösten damit eine unerwünschte Autoimmunreaktion aus. Ein unmittelbarer Beweis dafür, dass PKC-delta die Entstehung oder Aktivierung von entgleisten B-Zellen steuert. Ob noch andere Signale hinzukommen, ist bisher noch unklar.

Daher wollen die Wissenschaftler jetzt untersuchen, ob sich in Patienten mit bestimmten Autoimmunerkrankungen ein Mangel an PKC-delta nachweisen lässt. Wäre das der Fall, so würden sich neue gezielte Ansätze für eine Therapie dieser Krankheiten eröffnen.

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