Ornithologie: Entscheidung fürs Leben
Die Standortwahl kann entscheidend für den Erfolg eines Geschäfts sein: Herrscht tote Hose in der Umgebung, geht der Laden wohl bald pleite. Nicht anders verläuft das Leben in der Natur. Nur dass hier durch das richtige oder falsche Biotop der zukünftige Kindersegen auf dem Spiel steht.
Das Frühjahr naht in großen Schritten auf der Nordhalbkugel, und mit ihm Milliarden von Zugvögeln, die den Winter in Südamerika, Afrika, Südasien und Australien verbracht haben. Punktgenau steuern die Älteren unter ihnen den Nistkasten, die Höhle oder den Horst an, in denen sie im Vorjahr ihre Jungen großgezogen haben. Und selbst ihr unerfahrener Nachwuchs – sofern er die zahllosen Gefahren der kontinenteübergreifenden Wanderung überlebt hat – findet sich häufig wieder in relativer Nähe zu seinem Geburtsort ein. An und für sich eine gute Wahl, hat doch diese Lokalität bereits ihre Tauglichkeit als Brutplatz bewiesen.
Doch mit dem überstandenen Rückflug sind die Schwierigkeiten für die Nestlinge des Vorjahrs noch nicht ausgestanden, wenn sie nun selbst zur Brut schreiten möchten. Das Revier der Eltern ist durch eben diese oft noch besetzt, und der Vater akzeptiert nur selten die eigenen Sprösslinge in unmittelbarer Nachbarschaft. Da auch die meisten anderen optimalen Habitate belegt sind und durch singende Männchen beansprucht werden, bleiben forschen Junghähnen nur zwei Alternativen: Entweder kämpfen, den Vorgänger vertreiben und dessen Territorium übernehmen oder aber gleich weiterziehen und sich andernorts niederlassen.
Für welche Strategie sie sich wann und warum entscheiden beziehungsweise wie erfolgreich sie dabei jeweils abschneiden, darüber rätselten Ornithologen seit langem. Studien von Colin Studds von der Universität von Maryland in College Park und seinen Kollegen dürften die Wissenschaft jetzt einen Schritt weiterbringen. Sie beobachteten, wohin junge Schnäpperwaldsänger (Setophaga ruticilla) in ihrem ersten Winter ziehen und wie die Wahl ihres Süd-Domizils ihr weiteres Leben beeinflussen könnte.
Ein Isotop als Zeuge
Dieser nordamerikanische Singvogel brütet in Kanada und im Osten wie in der Mitte der Vereinigten Staaten bis etwa zum Mississippi, wo er sekundäre Laubwälder mit dichtem Unterwuchs bevorzugt. Sein Winterquartier schlägt der Waldsänger in der Karibik, in Zentral- und im nördlichen Südamerika auf wie etwa auf Jamaika, wo Studds Team den Fernreisenden nachspürte.
Der exakte Aufenthaltsort in der Sonne scheint dabei übergeordnet wichtig, wie die Biologen entdeckten. Waldsänger, die in Mangroven die kalte Jahreszeit verbrachten, schnitten im folgenden Sommer bezüglich Revierwahl und Bruterfolg deutlich besser ab, als Artgenossen, die mit benachbarten Quartieren in trockenem Buschland oder ähnlich marginalen Lebensräumen vorlieb nehmen mussten. Und nicht nur das: Die erste Wahl bestimmt auch voraus, wie das restliche Leben von Setophaga ruticilla verlaufen soll.
Standortvorteil Mangrove
In den Mangroven finden die Vögel mehr und bessere Nahrung, weshalb sie früher ihr optimales Fluggewicht und genügend Energie für die Heimreise auf ihre Rippen packen können. Da sie zeitig aufbrechen, können sie sich im Norden die besten Reviere aussuchen, müssen dafür nicht so weit wie lang fliegen und können früher zur Brut schreiten. Ganz anderes dagegen ihre Kollegen: Im lebensfeindlicheren Trockenland fangen sie weniger Insekten, weshalb sie sieben Tage länger benötigen, um im Frühling wieder zurückfliegen zu können. Nun sind aber die Premiumhabitate schon besetzt, weshalb sie weiter nach Norden sowie in suboptimale Randlagen ausweichen müssen, wo sie länger für die Jungenaufzucht und die eigenen Reisevorbereitungen im Herbst benötigen.
Ihre Konkurrenten sind zu diesem Zeitpunkt schon längst wieder in den jamaikanischen Mangroven eingefallen und haben sich damit bereits wieder den Startvorteil für das nächste Jahr gesichert. Ein Teufelskreis, den Neuankömmlinge nur durchbrechen können, wenn ein alteingesessenes Männchen – sie vor allem besetzen die Logenplätze der Gezeitenwälder – stirbt oder durch Kampf verdrängt wird. Gelingt es ihnen, blicken sie in eine erfolgreiche Zukunft. Alle anderen Junghähne und viele Weibchen müssen dagegen mit schlechteren Kategorien und langer Benachteiligung zurechtkommen, wobei die Weibchen den Vorteil haben, im Norden kein Revier erobern und halten zu müssen. Sie kommen also mit dem Mangel besser zurecht.
Klimawandel und Lebensraumzerstörung bereiten den Schnäpperwaldsängern – und vielen anderen Zugvögeln auch – allerdings immer größere Schwierigkeiten: Mangroven und Feuchtwälder werden abgeholzt, um Platz zu schaffen für Garnelenfarmen oder Viehweiden, sodass mehr Vögel in marginale Lebensräume ausweichen müssen. Gleichzeitig sorgt die Erderwärmung dafür, dass es in der Karibik weniger regnet, was geringere Insektenbeute bedeutet. Und zugleich verschieben sich die optimalen Lebensräume weiter nach Norden beziehungsweise beginnt der Frühling zeitiger. Die Brutperioden entkoppeln sich daher von den Lebenszyklen der Insekten, sodass die Eltern ihre Jungen schlechter ernähren müssen und weniger durchkommen. Kein Wunder also, dass die Zahl der weitaus meisten Zugvögel auf breiter Front sinkt – auch die der Schnäpperwaldsänger.
Doch mit dem überstandenen Rückflug sind die Schwierigkeiten für die Nestlinge des Vorjahrs noch nicht ausgestanden, wenn sie nun selbst zur Brut schreiten möchten. Das Revier der Eltern ist durch eben diese oft noch besetzt, und der Vater akzeptiert nur selten die eigenen Sprösslinge in unmittelbarer Nachbarschaft. Da auch die meisten anderen optimalen Habitate belegt sind und durch singende Männchen beansprucht werden, bleiben forschen Junghähnen nur zwei Alternativen: Entweder kämpfen, den Vorgänger vertreiben und dessen Territorium übernehmen oder aber gleich weiterziehen und sich andernorts niederlassen.
Für welche Strategie sie sich wann und warum entscheiden beziehungsweise wie erfolgreich sie dabei jeweils abschneiden, darüber rätselten Ornithologen seit langem. Studien von Colin Studds von der Universität von Maryland in College Park und seinen Kollegen dürften die Wissenschaft jetzt einen Schritt weiterbringen. Sie beobachteten, wohin junge Schnäpperwaldsänger (Setophaga ruticilla) in ihrem ersten Winter ziehen und wie die Wahl ihres Süd-Domizils ihr weiteres Leben beeinflussen könnte.
Ein Isotop als Zeuge
Dieser nordamerikanische Singvogel brütet in Kanada und im Osten wie in der Mitte der Vereinigten Staaten bis etwa zum Mississippi, wo er sekundäre Laubwälder mit dichtem Unterwuchs bevorzugt. Sein Winterquartier schlägt der Waldsänger in der Karibik, in Zentral- und im nördlichen Südamerika auf wie etwa auf Jamaika, wo Studds Team den Fernreisenden nachspürte.
Über vier Jahre hinweg sammelte es Schwanzfedern der Schnäpperwaldsänger, wenn sich diese auf der Insel zum Überwintern einfanden, und verglich jeweils deren Deuterium-Gehalt. Die Konzentration dieses Wasserstoff-Isotops in der Umwelt schwankt mit den Niederschlagsmengen, die über einem bestimmten Gebiet niedergehen: Trockenere Regionen im Landesinneren bekommen weniger Deuterium ab, weil das schwere Isotop leichter abgeregnet wird und daher in feuchten Gebieten relativ angereichert ist. Über die Nahrung nehmen es die Vögel auf und lagern es im Gefieder ein, wo es seinen Gehalt nach der Mauser nicht mehr verändert. Über das Isotopen-Verhältnis in der verloren gegangenen Feder lässt sich dann relativ genau ermitteln, woher das Tier stammt, wo es überwintert und wo es brütet.
Der exakte Aufenthaltsort in der Sonne scheint dabei übergeordnet wichtig, wie die Biologen entdeckten. Waldsänger, die in Mangroven die kalte Jahreszeit verbrachten, schnitten im folgenden Sommer bezüglich Revierwahl und Bruterfolg deutlich besser ab, als Artgenossen, die mit benachbarten Quartieren in trockenem Buschland oder ähnlich marginalen Lebensräumen vorlieb nehmen mussten. Und nicht nur das: Die erste Wahl bestimmt auch voraus, wie das restliche Leben von Setophaga ruticilla verlaufen soll.
Standortvorteil Mangrove
In den Mangroven finden die Vögel mehr und bessere Nahrung, weshalb sie früher ihr optimales Fluggewicht und genügend Energie für die Heimreise auf ihre Rippen packen können. Da sie zeitig aufbrechen, können sie sich im Norden die besten Reviere aussuchen, müssen dafür nicht so weit wie lang fliegen und können früher zur Brut schreiten. Ganz anderes dagegen ihre Kollegen: Im lebensfeindlicheren Trockenland fangen sie weniger Insekten, weshalb sie sieben Tage länger benötigen, um im Frühling wieder zurückfliegen zu können. Nun sind aber die Premiumhabitate schon besetzt, weshalb sie weiter nach Norden sowie in suboptimale Randlagen ausweichen müssen, wo sie länger für die Jungenaufzucht und die eigenen Reisevorbereitungen im Herbst benötigen.
Ihre Konkurrenten sind zu diesem Zeitpunkt schon längst wieder in den jamaikanischen Mangroven eingefallen und haben sich damit bereits wieder den Startvorteil für das nächste Jahr gesichert. Ein Teufelskreis, den Neuankömmlinge nur durchbrechen können, wenn ein alteingesessenes Männchen – sie vor allem besetzen die Logenplätze der Gezeitenwälder – stirbt oder durch Kampf verdrängt wird. Gelingt es ihnen, blicken sie in eine erfolgreiche Zukunft. Alle anderen Junghähne und viele Weibchen müssen dagegen mit schlechteren Kategorien und langer Benachteiligung zurechtkommen, wobei die Weibchen den Vorteil haben, im Norden kein Revier erobern und halten zu müssen. Sie kommen also mit dem Mangel besser zurecht.
Klimawandel und Lebensraumzerstörung bereiten den Schnäpperwaldsängern – und vielen anderen Zugvögeln auch – allerdings immer größere Schwierigkeiten: Mangroven und Feuchtwälder werden abgeholzt, um Platz zu schaffen für Garnelenfarmen oder Viehweiden, sodass mehr Vögel in marginale Lebensräume ausweichen müssen. Gleichzeitig sorgt die Erderwärmung dafür, dass es in der Karibik weniger regnet, was geringere Insektenbeute bedeutet. Und zugleich verschieben sich die optimalen Lebensräume weiter nach Norden beziehungsweise beginnt der Frühling zeitiger. Die Brutperioden entkoppeln sich daher von den Lebenszyklen der Insekten, sodass die Eltern ihre Jungen schlechter ernähren müssen und weniger durchkommen. Kein Wunder also, dass die Zahl der weitaus meisten Zugvögel auf breiter Front sinkt – auch die der Schnäpperwaldsänger.
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