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Polarforschung: Entstand Antarktis-Eis durch rapide Klimaänderung?

Der kilometerdicke Eispanzer der Antarktis entstand möglicherweise nicht als Folge von Veränderungen im ozeanischen Strömungssystem, sondern durch einen schnellen Klimawandel.

Bislang ging man davon aus, dass sich das antarktische Inlandeis bildete, als Ende des Eozäns vor 35 Millionen Jahren warme Meeresströmungen um den Südkontinent von Kaltwasserströmen abgelöst wurden und dadurch dort die Temperaturen sanken. Sedimentproben von Wissenschaftlern um Matthew Huber [1] von der amerikanischen Purdue-Universität legen aber nahe, dass die Antarktis bereits vor dem Wachsen der Gletscher teilweise von kalten Strömungen umflossen wurde: Sie fanden in ihren Proben häufig Planktonorganismen wie Kieselalgen und Dinoflagellaten, die kalte Gewässer bevorzugen.

Meeresströmungen um Antarktis | Meeresströmungen um die Antarktis: Sedimentproben deuten an, dass bereits zwei Millionen Jahre vor der Ausbildung des mächtigen antarktischen Eisschilds nur noch Kaltwasser-Strömungen den Südkontinent umflossen. Die Ablösung warmer Strömungen durch kalte war somit wahrscheinlich nicht Auslöser dieses Gletscherwachstums. Matthew Huber und seine Kollegen vermuten daher eher einen starken Anstieg des atmosphärischen Kohlendioxids als Auslöser. Eine derartige Zunahme konnte in weiteren Proben aus dieser Periode des Eozäns nachgewiesen werden. Innerhalb von wenigen zehntausend Jahren nach Zunahme der Kohlendioxid-Konzentration in der Luft kam es zum Aufbau der teilweise über einen Kilometer dicken Eisdecke der Antarktis.
Da Abkühlung und Eisbildung somit nicht gleichzeitig stattfanden, vermuten die Forscher atmosphärische Auslöser für die Entstehung der Gletscher. Proben einer weiteren Untersuchung, die dem Eozän zugeordnet werden können, zeigen Parallelen zwischen der Vereisung und einem gleichzeitigen starken Anstieg von Kohlendioxid in der Atmosphäre: Einem starken Anstieg des Kohlendioxid-Gehalts in der Luft folgte innerhalb weniger zehntausend Jahre der Aufbau des antarktischen Eisschilds.

Huber und seine Kollegen vermuten daher, dass klimatische Schwankungen im Gefolge der erhöhten Treibhausgaskonzentrationen die Eisbildung auslösten und verstärkten. Möglicherweise kam es über der Antarktis zu verstärktem Schneefall, der wiederum länger liegen blieb. Dadurch erhöhte sich die Rückstrahlung von Sonnenstrahlen in den Weltraum – die Landmasse kühlte stärker ab, was wiederum eine positive Rückkopplung für das Gletscherwachstum auslöste. Allerdings geben die Wissenschaftler das Fehlen eines endgültigen Beweises für ihre Theorie zu.

Während langer Phasen der letzten 150 Millionen Jahre war die Antarktis tatsächlich weitgehend eisfrei, was viele Forscher auf einen Vorläufer des Ostaustralien-Stroms zurückführen. Wie der Golfstrom heute vor Europa transportierte er damals warmes Wasser entlang der australischen Küste in kühlere Gefilde und verursachte damit dort höhere Meerestemperaturen und ein milderes Klima.

Allerdings betraf diese Erwärmung ausschließlich ein Schelfmeer westlich einer Linie von der Antarktis über Tasmanien nach Australien, während der Bereich östlich davon kalt blieb: Warmwasserorganismen konnten deshalb nur in Sedimenten aus dem Westteil des Schelfmeers entdeckt werden, im Osten siedelten dagegen Kaltwasserlebewesen. Folglich beeinflusste der Warmwasserstrom nicht die gesamte Antarktis.

Die Wissenschaftler konnten noch ein weiteres Argument der Strömungs-Theorie entkräften: Die Eisbildung setzte erst zwei Millionen Jahre nach der kompletten Trennung der Schelfbereiche beider Kontinente ein. Bislang nahm man an, dass die Vereisung mit der durch die Kontinentaldrift verursachten Entstehung eines Tiefsee-Grabens und dem gleichzeitigen Erliegen der Warmwasser-Zufuhr begann.

Im Zuge des derzeitigen Klimawandels spielen sich auch heute wieder tiefgreifende Veränderungen in den antarktischen Ökosystemen ab: Ein Team um Pete Convey vom British Antarctic Survey etwa vermeldet die dauerhafte Ansiedlung und Ausbreitung der Antarktischen Schmiele (Deschampsia antarctica) auf der antarktischen Halbinsel. Die Grasart, die früher allenfalls einzeln in besonders günstigen Lagen vorkam, besiedelt heute größere, zusammenhängende Flächen und dringt in Bereiche vor, die bis vor wenigen Jahren noch zu kühl für Vegetation oder sogar von Eis bedeckt waren.

Die Wissenschaftler beobachteten zudem einen früheren Beginn des Frühlings und ein späteres Einsetzen des Herbstes, sodass sich die Wachstumsperiode für die Vegetation verlängert. Sollten sich die gegenwärtigen klimatischen Entwicklungen auf der Halbinsel fortsetzen, prognostizieren ihr die Wissenschaftler zukünftig Klimabedingungen, die denen Skandinaviens gleichen.

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