News: Entstand das Leben in einem Mineral?
Zeolithe wurden vor zweihundert Jahren entdeckt als ein Mineral, das "im Feuer vor dem Lötröhrchen wallet und schäumet fast wie Borax". Was unter Hitze aus dem Mineral austrat, war Wasser. Auf molekularer Ebene enthält das siliziumreiche Mineral eine zerklüftete Struktur mit Zwischenräumen, Poren und Kanälen, in denen sich in der Regel Wasser ansammelt. Da das Mineral eine große molekulare Oberfläche besitzt, ist es prädestiniert für katalytische Prozesse. Eine neue technische Entwicklung sind zudem sogenannte "Gast-Wirt-Systeme": Für den Bau von Mikrosystemen werden Moleküle in den Poren des Minerals fixiert, um dort bestimmte Aufgaben zu übernehmen. Die These von Smith läuft darauf hinaus, daß "Gast-Wirt-Systeme" nicht eine originär technische Entwicklung sind, sondern daß natürliche "Gast-Wirt-Systeme" den Ursprung des Lebens ermöglichten.
Die meisten Zeolithe sind hydrophil und absorbieren Wasser aus ihrer Umgebung. Es gibt aber auch synthetische Zeolithe, die lipophil sind und aus umgebendem Wasser organische Moleküle aufnehmen und anreichern. Jüngst wurde in der Antarktis ein natürliches Zeolith – das sogenannte Mutinait – entdeckt, das ebenfalls lipophil ist. Smith hält daher Mutinait für eine günstige Umgebung für die chemische Evolution, die der biologischen Evolution voranging. Mutinait enthält Aluminium anstelle von Silicium. Smith spekuliert, daß auf der jungen Erde durch Verwitterung das Mineral an der Oberfläche Aluminium verlor und durch Silicium ersetzte. Zurückgebliebenes Aluminium bildete Katalysekerne, an denen sich organische Moleküle zu langen Ketten aufreihten. Bei der chemischen Evolution konzentrierten sich in den Poren des lipophilen Zeoliths Aminosäuren, die dann durch den katalytischen Prozeß zu Peptiden aufgereiht wurden. Diese konnten in dem Zeolith über längere Zeit bestehen, da das Mineral die Peptide vor zersetzenden Sonnenstrahlen schützte.
Im Jahre 1954 hatte Stanley Miller an der University of Chicago folgendes nachgewiesen: Unter den Bedingungen der Uratmosphäre konnten sich auf der Erde Aminosäuren bilden. Bisher hat jedoch kein Experiment gezeigt, wie sich aus Aminosäuren die ersten Proteine bilden konnten. Sollte Smith mit seiner Theorie recht haben, müßten aluminiumhaltige Zeolithe dies bewerkstelligen können. Daher plant der Wissenschaftler jetzt entsprechende Experimente. Smiths Theorie legt außerdem eine Erklärung für eine Besonderheit des Lebens nahe: Für jede Aminosäure gibt es zwei mögliche räumliche Strukturen, die sich zueinander wie Spiegelbilder verhalten, eine D- und eine L-Form. Aber in den Bausteinen der Lebewesen tauchen sie fast nur in der L-Variante auf. Bisher gibt es keine Deutung dieser Laune der Natur. Smith vermutet: "Es ist wahrscheinlich Zufall, daß fast nur die L-Formen genutzt werden. Es mag an einem entsprechend geformten Kanal in einem Zeolith gelegen haben." Eindimensionale Kanäle in Zeolith waren demnach die Schablonen für die ersten Peptide, aus denen die Evolution des Lebens erwuchs.
Smith plant außerdem eine Exkursion nach Australien, wo einige der ältesten und ursprünglichsten Gesteine der Erde vorkommen. Er hofft, dort weitere Zeolithe zu entdecken, die womöglich noch Spuren einer Biokatalyse aufweisen.
Siehe auch
- Spektrum der Wissenschaft 8/85, Seite 82
"Bestanden die ersten Lebensformen aus Ton?"
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