Theorie: Entstand der Mond aus vielen Möndchen?
Laut vorherrschender Meinung entstand der Erdmond mit einem gewaltigen Knall. Ein etwa marsgroßer Protoplanet kollidierte mit der frühen Erde, enorme Mengen Materials wurden ins All geschleudert und verfestigten sich im Lauf der Zeit zu einer Kugel, die schließlich an ihren heutigen Platz migrierte. Dieses Szenario, das viele Eigenschaften des heutigen Monds hervorragend erklären kann, hat jedoch eine Schwachstelle.
Denn so unterschiedlich Mond und Erde aussehen mögen, so ähnlich sind sie sich aus chemischer Sicht. Wo verblieb das Material des Theia genannten Einschlagskörpers? Simulationen zufolge müsste sich ein Großteil davon im Mondgestein finden. Doch dann würden sich Erde und Mond chemisch stark unterscheiden.
Zur Lösung dieses Problems haben Wissenschaftler diverse Zusatzannahmen entwickelt, etwa einen besonderen Aufprallwinkel und bestimmte Prozesse, die nach dem planetaren Crash stattfanden. Sie haben zur Folge, dass das Material von Theia beispielsweise im Innern der Erde verschwindet oder sich das Material beider Körper komplett vermischt.
Ein alternatives Szenario, das (bislang) ohne rettende Zusatzannahmen auskommt, präsentieren nun Forscher um Raluca Rufu vom Weizmann Institute of Science im israelischen Rehovot. Genauer gesagt beleben sie dafür eine ältere Theorie, die gegenüber dem Theia-Szenario ins Hintertreffen geraten war. Demnach kollidierten dutzende kleinere Körper mit der frühen Erde und schleuderten dabei sukzessive das heutige Mondgestein ins All. Nach jedem Aufprall bildete sich aus der Auswurfmasse zunächst eine Scheibe um die Erde, die sich zu einem "Möndchen" oder englisch "moonlet" verfestigte. Diese Protomonde drifteten dann von der Erde weg und vereinigten sich mit dem wachsenden Mond. Über Millionen von Jahren entstand dadurch der heutige Erdtrabant.
In ihren Simulationen haben sie gezeigt, dass so die Möndchen – und folglich auch der Mond – überwiegend aus Erdmaterial bestehen. Die große Ähnlichkeit beider Himmelskörper wäre damit einfach erklärt. Mindestens 20 Einschläge mittelgroßer Objekte sind nötig, um genügend Material in den Orbit zu schaffen. Die Mehrzahl davon muss die junge Erde relativ mittig getroffen haben, da nur so genügend Gestein weggeschlagen wird. Einige "Streifschüsse" sind nötig, um bestimmte Eigenschaften der Umlaufbahn des Monds zu erklären.
Die Simulation von Rufus und Kollegen sei attraktiv, weil sie die chemische Zusammensetzung des Mondes gut erkläre, meint Gareth Collins vom Imperial College in London in einem begleitenden Kommentar. Sie habe jedoch noch einige Aufgaben zu meistern. Geht man davon aus, dass nicht jeder einzelne Minimond vom entstehenden Mond verschlungen wird, müssten deutlich mehr als nur 20 passende Objekte die junge Erde getroffen haben. Immerhin erlaube dieses Modell eine geologische Spurensuche: Bestimmte Teile der Erde könnten beispielsweise nie getroffen worden sein, ihr Material würde darum im Mond fehlen. So könnten sich die Aussagen der Simulation womöglich eines Tages auch empirisch überprüfen lassen.
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