Pulsare: Entstehungsgeschichte eines Magnetars entschlüsselt
Magnetare sind auch nach astronomischen Maßstäben außergewöhnliche Supernova-Überreste mit extremen Eigenschaften. Astronomen haben nun offenbar das Puzzle um die Entstehung eines Magnetars gelöst, den es nach bisherigem Verständnis gar nicht geben sollte. Er war demnach Teil eines engen Doppelsternsystems, in dem ein wechselseitiger Austausch von Sternmaterie die Entstehung des Magnetars ermöglichte. Die Wissenschaftler entdeckten nun den ehemaligen Begleitstern des Magnetars und konnten so die gemeinsame Vergangenheit des Paars rekonstruieren.
Massereiche Sterne explodieren am Ende ihrer Entwicklung in einer Supernova. Neben der expandierenden Explosionswolke bleibt dabei – je nach ursprünglicher Masse – entweder ein Schwarzes Loch oder (bei geringerer Ausgangsmasse) ein Neutronenstern zurück. Die genaue Grenze zwischen den beiden Möglichkeiten ist unbekannt, sie wird aber bei 25 Sonnenmassen vermutet.
Neutronensterne sind astronomische Objekte der Extreme. Ihre Masse liegt zwischen dem 1,2-fachen und dem doppelten der Sonnenmasse, gleichzeitig beträgt ihr Durchmesser nur rund 20 Kilometer. Damit übertrifft ihre Dichte diejenige eines Atomkerns – ein einzelner Teelöffel Neutronensternmaterie wöge auf der Erde etwa so viel wie der Mount Everest.
Die Neutronensterne mit den stärksten bekannten Magnetfeldern des Universums – rund eine Billiarde Mal so stark wie dasjenige unserer Erde – nennen Astronomen Magnetare. Der unter der Katalogbezeichnung CXOU J164710.2-45516 bekannte Magnetar im nur wenige Millionen Jahre alten und rund 16 000 Lichtjahre entfernten Sternhaufen Westerlund 1 war schon im Jahr 2005 entdeckt worden. Bereits damals war klar, dass er den Astronomen Kopfzerbrechen bereiten würde. Denn aus ihren Beobachtungen des Magnetars und der anderen Sterne in Westerlund 1 schlossen die Astronomen, dass der Vorgänger des Magnetars eine Masse von mehr als dem 40-fachen derjenigen unserer Sonne gehabt haben muss. Demnach hätte er nach seiner Supernova-Explosion zu einem schwarzen Loch zusammenfallen müssen.
Ein Astronomenteam aus Großbritannien, Spanien und Deutschland fand durch systematische Beobachtungen mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte eine Lösung für das Rätsel. Die Forscher identifizierten einen Stern in Westerlund 1, der sich ungewöhnlich schnell relativ zu den anderen Sternen des Haufens bewegte – gerade so, als ob er in der Vergangenheit kräftig beschleunigt wurde. Die Astronomen nehmen an, dass der Rückstoß von einer Supernova-Explosion seines Begleiters in einem Doppelsternsystem die Ursache ist.
Zudem wies der auf den Namen Westerlund 1-5 getaufte Stern einen ungewöhnlich hohen Gehalt an Kohlenstoff auf, wie die Astronomen anhand des Sternspektrums nachwiesen. Diese Anomalie lässt sich nicht erklären, wenn Westerlund 1-5 als Einzelstern entstanden ist.
Hinter den Auffälligkeiten von Westerlund 1-5 und der Entstehung des Magnetars könnte jedoch eine gemeinsame Lösung stecken, die nun die Forscher um Simon Clark von der Open University vorschlagen. Demnach bildeten die Vorläufersterne des Magnetars und von Westerlund 1-5 einstmals ein enges Doppelsternsystem. Die Vorläufer hatten Massen von rund 41 und 35 Sonnenmassen, wobei aus dem ursprünglich masseärmeren Stern der Magnetar entstand.
Der massereichere Partnerstern blähte sich schneller zu einem Riesen auf. Im engen Doppelsternsystem übertrug er viel Materie auf seinen masseärmeren Begleiter. Durch die "Brennstoff"-Zufuhr begann dieser sich nun schneller zu entwickeln und erzeugte dabei unter anderem Kohlenstoff. Schließlich entwickelte er einen sehr starken Sternwind, der viel Materie ins All fortblies. Der Begleiter fing dabei einen Teil des Sternwinds auf und wurde so mit Kohlenstoff angereichert.
Schließlich explodierte der ursprünglich masseärmere Stern als Supernova. Durch seinen Sternwind hatte er so viel Materie verloren, dass er nicht zu einem Schwarzen Loch, sondern zu einem Neutronenstern kollabierte – der Magnetar wurde geboren. Auch das enorm starke Magnetfeld scheint seinen Ursprung im Materieübertrag zwischen den Sternen zu haben. Der Materiestrom beschleunigte die Rotation des Magnetarvorgängers und verursachte so die Entstehung des starken Magnetfelds beim Zusammenbruch des Sternkerns in der Supernova.
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