Covid-19: Enzym lässt Männer häufiger und schwerer erkranken
In Deutschland haben sich bis Anfang Mai 2020 ähnlich viele Frauen wie Männer offiziell mit Sars-CoV-2 infiziert. Doch bis Ende April starben deutlich mehr Männer als Frauen an der Krankheit, so das Robert Koch-Institut: Unter den bis dahin gemeldeten 6288 Todesfällen entfielen 56 Prozent auf Männer, obwohl sie nur 48 Prozent der Erkrankten stellten. In zahlreichen Ländern ist dieses Ungleichgewicht sogar noch größer. Eine der Ursachen dafür könnte sein, dass Männer deutlich höhere Konzentrationen des Angiotensin-Converting-Enzyms 2 (ACE2) im Blut aufweisen als Frauen. Das berichten Adriaan Voors von der Universität Groningen und sein Team im »European Heart Journal«.
Das Enzym erleichtert es dem Virus, gesunde Zellen zu befallen. Und die höheren Werte im Blut von Männern könnten damit erklären, warum diese überdurchschnittlich oft stark erkranken und sterben. ACE2 ist ein Rezeptor auf der Zelloberfläche, an den sich das Coronavirus bindet, so dass es in die Zelle eindringen und sie infizieren kann. Zuvor wird es auf der Zelloberfläche aber noch von einem Protein namens TMPRSS2 modifiziert. Besonders hohe Konzentrationen an ACE2 finden sich zudem im Lungengewebe, was eine der Ursachen für den schweren Verlauf von Covid-19 sein kann, sobald es die Lungen erreicht hat. Zudem tritt es verstärkt vor allem im Herz, in den Nieren und Adern sowie speziell den Hoden auf.
Die Wissenschaftler untersuchten außerdem, ob bestimmte Herzmedikamente die Konzentration an ACE2 im Blut und damit das Risiko für Covid-19 erhöhen. Hinweise darauf konnten sie allerdings nicht finden. »Unsere Ergebnisse belegen in keiner Weise, dass Covid-19-Patienten ihre Therapie mit solchen Medikamenten unterbrechen sollten, wie frühere Berichte angedeutet hatten«, sagte Voors.
Neben den unterschiedlichen ACE2-Werten spielt der geschlechtsspezifische Hormonhaushalt wahrscheinlich eine sehr wichtige Rolle. Östrogen fördert eine Immunantwort, Testosteron dagegen unterdrückt sie: Das Immunsystem reagiert daher bei Frauen schneller und nachhaltiger. Das gilt auch als eine der Ursachen, warum Männer häufiger und schwerer an Grippe erkranken. Ein weiterer Grund liegt in der genetischen Ausstattung. Frauen besitzen zwei X-Chromosomen, Männer nur eines. Weibliche Immunzellen könnten also auf Gene beider Chromosomen zugreifen, weshalb ihr Immunsystem ebenfalls schneller und häufiger Erkennungsrezeptoren produzieren und auf den Zellen ausspielen kann. Und damit bekämpft es Erreger zeitiger und intensiver.
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