Zoonosen: Wo die nächste Pandemie herkommen könnte
Abgelegene Städte in Regionen mit hohem Waldverlust in der Umgebung bergen das größte Risiko, dass tierische Krankheitserreger Epidemien bei Menschen verursachen. Zu diesem Ergebnis kommt eine brasilianische Arbeitsgruppe um Cecilia S. Andreazzi vom Oswaldo Cruz Institute in Rio de Janeiro anhand eines neuen Modells, das neben Umwelteinflüssen auch soziale, wirtschaftliche und historische Faktoren berücksichtigt. Wie das Team in der Fachzeitschrift »Science Advances« berichtet, sind Jagd und Verzehr von Wildtieren, so genanntem »Bushmeat«, ein zentraler Faktor für das Risiko, dass Krankheitserreger auf Menschen überspringen. Außerdem spielt Mobilität eine große Rolle. Die Analyse bezieht sich zwar bisher nur auf die brasilianische Amazonasregion, die Schlussfolgerungen dürften aber ebenso für andere tropische Regionen gelten.
Nach Ansicht der Arbeitsgruppe ist Brasilien besonders anfällig für Epidemien ursprünglich tierischer Krankheitserreger. »Brasilien verbindet derzeit sozioökologische Verwundbarkeit mit einer anhaltenden wirtschaftlichen und politischen Krise, die das Land zu einer möglichen Brutstätte der nächsten Pandemie machen«, erklärt sie in ihrer Veröffentlichung. Sie zitiert unter anderem das politische Klima, in dem Umweltschutz ignoriert wird und Gesetze erlassen werden, die die Ausbeutung der Natur fördern. Außerdem habe die Corona-Pandemie extreme Armut verschärft, ein weiterer Faktor, der potenzielle Epidemien begünstigt. Deswegen sei es nötig, ein Vorhersagemodell zu entwickeln, mit dem man kritische Bereiche identifizieren und überwachen kann.
Das Team verglich die regionale Verteilung der Ausbrüche von neun in Brasilien meldepflichtigen Zoonosen, darunter Hantavirus, Gelbfieber und Malaria, mit sozialen, ökologischen und geografischen Faktoren, um Zusammenhänge aufzudecken. Dahinter steckt die Annahme, dass eine ähnliche Sammlung von Faktoren diese bekannten Seuchen und neuartige Krankheitserreger begünstigt. Das Ergebnis identifiziert neben den geografisch abgelegenen und zerstörten Wäldern außerdem eine große Vielfalt einheimischer Säugetiere als Risikofaktoren. Schützend wirken sich dagegen mehr Bäume in der Stadt sowie viel Wald in der Umgebung aus.
Ein kritisches Problem sei »Bushmeat«, merkt die Arbeitsgruppe an. Man könne den Verzehr von Wildtieren nicht verbieten, weil weltweit Millionen Menschen darauf angewiesen seien. Jagd und Verzehr von Wildtieren müsste besonders überwacht und betroffene Bevölkerungsteile über die Risiken aufgeklärt werden. Ein wesentlicher Aspekt sei auch, dass eine Ansteckung allein keine Epidemie macht. Laut Analyse des Teams ist außerdem ein wichtiger Faktor, dass kleine Ortschaften in entlegenen Regionen für komplexe Dienstleistungen wie medizinische Behandlung auf größere Städte angewiesen sind. Dadurch reisen Menschen dort sehr viel, so dass große Ballungszentren zu »Superspreader-Städten« werden können.
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