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Erdgeschichte: Wie die Messinische Salinitätskrise das Mittelmeer umkrempelte

Es ist heute kaum vorstellbar, doch vor wenigen Millionen Jahren verschwand das Mittelmeer fast vollständig. Das hatte dramatische Folgen für die Artenvielfalt.
Satellitenbild des Mittelmeers, das auf der Aufnahme blau erscheint. Die umliegenden Kontinente Afrika, Asien und Europa erscheinen in Grün- und Brauntönen. Über Italien in der Bildmitte ist ein großer Wolkenkomplex zu sehen
Das Mittelmeer, wie wir es in der heutigen Form kennen, existierte vor mehreren Millionen Jahren nicht mehr: Es war ausgetrocknet.

Vor 5,5 Millionen Jahren begann im Mittelmeer eine Naturkatastrophe, die das Ökosystem komplett veränderte und das Ende für zahlreiche endemische Arten bedeutete. Tektonische Prozesse trennten das Mittelmeer vom Atlantik und dessen Wasserzufuhr; Nachschub lieferten fast nur noch Flüsse: Es begann die Messinische Salinitätskrise, die das Mittelmeer nahezu vollständig austrocknete und zu gigantischen Salz- und Gipsablagerungen führte. Welche Folgen das Ereignis für die Biodiversität der Region hatte, untersuchte ein Team um Konstantina Agiadi von der Universität Wien: Sie waren dramatisch, wie die Arbeitsgruppe in »Science« darlegt.

Für seine Arbeit studierte das internationale Team zahlreiche Fossilien aus dem Mittelmeergebiet, deren Alter zwischen 3,6 und 12 Millionen Jahren lag. Diese Zeitspanne ermöglichte einen Vergleich der Fauna vor und nach dem Ereignis, in dessen Folge ein Salzpaket am Grund des Mittelmeers entstand, das bis zu einem Kilometer mächtig ist und bis heute von dieser Katastrophe zeugt. Auf dem Höhepunkt der Salinitätskrise existierten abseits der Zuflüsse wie des heutigen Nil oder der Rhone mit ihren sumpfigen Deltas und Marschen nur noch wenige extrem salzige Seen, die ungefähr mit dem Toten Meer im Vorderen Orient vergleichbar waren.

Die relativ raschen und extremen Veränderungen sorgten dafür, dass sich von 779 endemischen Spezies vor der Krise nur noch 86 danach feststellen ließen: Es verschwand also ein Großteil der Arten, die bloß im Mittelmeer vorgekommen sind. Überhaupt war der Faunenwechsel umfassend: Nach der neuerlichen Flutung des Meerbeckens bestand die Tierwelt zu mehr als zwei Dritteln aus neuen Arten, die vor der Austrocknung hier nicht heimisch waren. Neben den wenigen überlebenden Endemiten kehrten aus dem Atlantik zudem Spezies zurück, die ursprünglich in beiden Meeren zu Hause waren.

Nachdem sich durch Erosion und Tektonik der Zugang zum Atlantik erneut gebildet hatte und Wasser wie Lebewesen ins Mittelmeer zurückkehrten, dauerte es 1,7 Millionen Jahre, bis das ursprüngliche Vielfaltsniveau wieder erreicht war – allerdings in völlig anderer Form. Während viele tropische Korallenarten verschwunden waren, besiedelten anschließend Weiße Haie und Delfine die Region. Von ihnen existieren keine fossilen Belege aus der Zeit vor der Krise. Die Folgen der Krise für die Vielfalt finden sich bis heute im Mittelmeer: Diese nimmt mit zunehmender Entfernung zum Atlantik von Nordwest nach Südost ab. Das konnten bislang selbst die neue Verbindung zum Roten Meer über den Sueskanal und die von dort einwanderten Arten nicht ausgleichen.

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