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Exoplanetensysteme: Erdgroßer Exomerkur bereitet Kopfzerbrechen

Um einen entfernten sonnenähnlichen Stern kreist ein erdgroßer Planet, der so dicht ist wie unser Merkur. Ohne Katastrophenszenarien lässt sich seine Existenz schwer erklären.
junger Exoplanet

Vor einigen Jahren war für Planetenforscher alles doch deutlich einfacher: Sie konnten mangels technischer Fähigkeiten nicht über unser Sonnensystem hinausblicken und mussten deswegen modellhafte Erklärungen über das Werden und Entstehen der Planeten vorerst nur passend am Bespiel ihrer neun Untersuchungsobjekte von Merkur bis Pluto ausrichten. Eine kurze Zeit konnte man so mit immer größerer Sicherheit erklären, wie Gesteinsplaneten zu typischen Merkuren oder Erden werden und warum Gasriesen wie Neptun und Saturn aussehen, wie sie aussehen, und dort kreisen, wo sie kreisen. Das alles änderte sich mit der Entdeckung von immer neuen Exoplaneten: Oft zeigen diese exotische Eigenschaften, die zu einem musterhaften Sonnensystemplaneten nicht wirklich passen wollen. Ein Beispiel präsentiert nun Alexandre Santerne von der Universität Aix-Marseille mit 46 weiteren Autoren in »Nature Astronomy«: Sie beschäftigen sich mit einem ungewöhnlichen Exomerkur, der so groß ist wie die Erde.

Den merkwürdigen Merkur des Systems K2-229 lernten die Forscher aus Beobachtungsdaten des Kepler-Weltraumteleskops von 2016 kennen: Hier umkreisen gleich drei Planeten einen Zwergstern der Klasse K im Sternbild Jungfrau. Die beiden äußeren sind dabei eher unspektakuläre Funde, der innere Planet K2-229b aber wartet mit einem ungewöhnlichen Eigenschaftenmix auf: Er ist etwa erdgroß, gleichzeitig aber zirka 2,59 Erdmassen schwer – und damit fast genauso dicht wie unser Merkur, der zu rund 70 Prozent aus einem metallischem Kern und nur zu rund 30 Prozent aus einer Hülle von Silikatgestein besteht. Bei allen anderen felsigen Planeten des Sonnensystems, also Venus, Erde und Mars, ist das umgekehrt: Hier macht der metallische Kern 30 Prozent aus, der Rest verteilt sich auf die Gesteinshülle. Der Standardtheorie zufolge sollte ein erdgroßer Planet wie K2-229b um einen eher sonnenähnlich aufgebauten G-Stern aber eigentlich so dicht sein wie die Erde. Was stimmt hier also nicht?

Santerne und Co spekulieren über einige mögliche Szenarien. Denkbar wäre etwa, dass der Exomerkur in seiner Jugend deutlich größer war, dann jedoch irgendwie große Teile seines Gesteinsmantels verloren hat, um dieses hypothetische katastrophale Ereignis als exotischer Metallkern-Rumpf zu überleben. Vielleicht förderte die extreme Nähe des Planeten zum Zentralstern eine solche Entwicklung: K2-229b kreist in nur 14 Stunden um seinen Stern, deutlich näher als der Merkur um die Sonne, was seine Tagseite auf rund 2330 Kelvin aufheizen sollte. Man kennt allerdings bereits Exoplaneten, die ähnlicher Hitze ausgesetzt sind, ohne dass dabei ihr Gesteinsmantel wegbrutzelt. Alternativ könnten Magnetfeldausbrüche oder Flares den Exomerkur erodiert haben – oder es ereignete sich ein Einschlag wie der von Theia auf der Urerde, der bei uns damals den Erdmond entstehen ließ. Vielleicht könnten weitere Indizien, etwa das Vorhandensein von Exomonden, alle diese Szenarien erhärten. Sie sollen bei weiteren Untersuchungen des Systems in Zukunft aufgespürt werden.

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