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Erdmagnetfeld: Polsprung pulverisierte Strahlenschutz der Erde

Das Erdmagnetfeld kehrt sich immer mal wieder um, und eigentlich ist es bald mal wieder so weit. Aber hat das Folgen für das Leben? Und hatte es, vor 42 000 Jahren? Forscher messen und sind sich uneins.
Visualisierung des Erdmagnetfelds

Das Magnetfeld der Erde kehrt sich immer wieder einmal um: Es wechselt über tausende Jahre hinweg allmählich die Polarität, bis dann nach weiteren zehntausenden Jahren aus einem magnetischen Südpol irgendwann wieder ein magnetischer Nordpol wird. Unklar blieb bisher, welche Folgen ein solcher Polsprung auf die Natur haben könnte. Denn einerseits zeigen Untersuchungen, dass die Umpolungen in der Vergangenheit keine Massenaussterben verursacht haben; andererseits legen Indizien nahe, dass während der Feldumkehr das Erdmagnetfeld und damit der Schutz gegen Strahlung aus dem All drastisch geschwächt wird, was eigentlich nicht ohne Folgen für das Leben auf der Erde bleiben sollte. Eine in »Science« veröffentlichte Studie feuert die Diskussion nun mit neuen Daten an: Sie legt einen deutlichen Effekt durch einen kurzfristigen Polsprung vor 42 000 Jahren nahe, der für einige Zeit womöglich sogar das globale Klima verändert hat.

Ein Forscherteam um Chris Turney von der University of New South Wales in Sydney hat das Geschehen um die damalige Magnetfeldumkehr durch einen einzigartigen Fund im Detail untersuchen können: Es konnte auf einen gut konservierten, vor einigen Jahren bei Bauarbeiten aus einem Sumpf gezogenen 60 Tonnen schweren Stamm eines Kauri-Baums zurückgreifen, der vor rund 42 000 Jahren über mindestens 1700 Jahre hinweg gewachsen war, wie an den Baumringen abzulesen ist. Mit Radiokarbondatierung konnten die Forscher das Alter des Baums anhand verfügbarer Radiokarbondaten aus einer Höhle in China einordnen.

Dies erlaubte ihnen nun, die Veränderungen der Magnetfeldstärke in den gut eineinhalb Jahrtausenden Lebenszeit des Baums nachzuvollziehen. Entscheidend dafür ist das Verhältnis der Kohlenstoffisotope C-12 zu C-14: Lebewesen wie der Kauri-Baum nehmen beide Isotope auf und speichern sie; durch den Zerfall ist die Zeit seit ihrem Tod bestimmbar. Zudem konservieren sie auch die relative Menge von C-14 – einem eher kurzlebigen radioaktiven Isotop, das unter dem Einfluss kosmischer Strahlung entsteht. Die Radiokarbonanalyse erlaubte den Wissenschaftlern demnach also nicht nur eine Altersbestimmung, sondern auch Rückschlüsse auf Schwankungen in der Stärke der Strahlung: je mehr kosmische Strahlen, desto höher der C-14-Wert.

Die Forscher ermittelten auf diese Weise nun für alle 40 Jahre im Leben des alten Baums einen Wert für die relative Strahlung – und damit für das Erdmagnetfeld, das kosmische Strahlung je nach Stärke mehr oder weniger gut abschirmt. Tatsächlich lässt sich aus den Daten ablesen, dass die Magnetfeldstärke über Jahrhunderte hinweg stark schwankte. Vor 41 500 Jahren war es dann auf nur rund sechs Prozent der heutigen Stärke gesunken. Um diese Zeit kam es zum Polsprung, woraufhin das Feld langsam wieder stärker wurde. Schließlich aber brach die Feldstärke erneut ein, und die Umpolung schwang wieder in die Ursprungsrichtung zurück, wie die aus dem Baumstamm gewonnenen Daten zeigen.

Daten aus Eisbohrkernen zeigen übrigens, dass etwa zur selben Zeit auch die Sonne ein Minimum an magnetischer Aktivität zeigte. In solchen Phasen erreicht mehr kosmische Strahlung die Erde und erhöht den Anteil der C-14-Isotope in der Atmosphäre. Der aus beiden Effekten resultierende Strahlensturm dürfte deutliche Effekte gehabt haben, sagt Koautor Alan Cooper: Würde er sich heute abspielen, dann wären bis in die Subtropen hinein Polarlichter zu sehen und das Stromnetz dürfte überlastet werden.

© University of New South Wales
Die Folgen eines Polsprungs
Eine Polsprung-Paläopokalypse vor 42000 Jahren, hier beschrieben im »Per-Anhalter-durch-die-Galaxis«-Stil.

Die Wissenschaftler bemühten sich, die Klimafolgen des Polsprungs vor 42 000 Jahren mit Modellrechnungen abzuschätzen: Demnach sollte das Strahlungsbombardement die Ozonschicht geschädigt haben, was schließlich die Wärmeabsorption von UV-Licht in großen Höhen reduziert hätte. Die dadurch erfolgte Abkühlung in großer Höhe sollte dann die Windsysteme beeinflusst haben, was »drastische« Klimaeffekte nach sich ziehen würde, so die Forscher: Nordamerika würde wärmer, Europa kälter. Diese Modellierung halten an der Studie nicht beteiligte Forscher allerdings für unsicher, etwa der vom Magazin »Science« zum Thema befragte Glaziologe Anders Svensson von der Universität Kopenhagen. Er weist darauf hin, dass solche drastischen klimatischen Veränderungen aufgefallen sein müssten, etwa in Eisbohrkernen aus Grönland oder der Antarktis. Klimatische Schwankungen machen sich dort deutlich bemerkbar – und für die Zeit vor 42 000 Jahren seien keine verzeichnet worden. Es gebe zwar einzelne Hinweise für eine lokale Veränderung des Klimas im Pazifik, ein weltweites Phänomen sei für die Zeit des Polsprungs jedoch nicht auszumachen. Dennoch fallen, wenn man danach sucht, Veränderungen in Flora und Fauna auf, die sich vor 42 000 Jahren ereignet haben: So sind etwa zu jener Zeit die größeren einheimischen Säugetierlinien Australiens ausgestorben. Ob dies wirklich auf die Umkehr des Erdmagnetfeldes zurückzuführen ist, bleibt derzeit allerdings spekulativ.

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