News: Erkennen und töten
Die zentrale Berufsschule für die T-Zellen liegt in der Brust: Die Thymusdrüse. Dort lernen die Lehrlinge während ihrer Reifung die meisten körpereigenen Proteine kennen und lassen diese dank ihres wachsenden "Gedächtnisses" fortan in Ruhe. Gleichzeitig bilden die T-Zellen auf ihrer Oberfläche spezielle Rezeptoren für ein einziges Antigen aus, dank ihrer Vielfalt kann der Organismus eine wahre Armada davon bekämpfen. Doch was passiert mit Eiweißen, die nur vereinzelt produziert werden und den Lehrlingen in der Thymusdrüse nicht begegnen können?
"Reisen bildet", frei nach diesem Motto reisen die T-Zellen deshalb durch verschiedene Körperregionen und studieren diese Proteine. Nur nach erfolgreicher Teilnahme ist ihre Ausbildung abgeschlossen. Kürzliche Studien an Mäusen haben gezeigt, dass Autoimmunkrankheiten aus Fehlzeiten in diesem Ausbildungsteil resultieren.
Die frisch gebackenen Immungesellen patrouillieren nun also durchs Blut. Antigene von Viren oder Tumoren werden ihnen dabei von ihren Kollegen, den dendritischen Zellen, zur Erkennung präsentiert. Durch rasche Vervielfachung und Produktion von Antikörpern organisieren die T-Zellen beim Erkennen des Antigens die körpereigene Immunabwehr. Da sich aber zum Beispiel Viren – und auch ihre Antigene – meist im Zellinneren aufhalten, rätselten Wissenschaftler lange darüber, wie die dendritischen Zellen eigentlich zu ihrer Antigen-Fracht im Blut kommen.
1998 fanden Albert und Darnell von der Rockefeller University in New York endlich eine Antwort: Der plötzliche Zelltod – die Apoptose – ist für das Freiwerden und Erkennen von Antigenen aus dem Zellinneren verantwortlich. Sterbende Zellen geben den dendritischen Zellen das Signal, ihre Überreste zu beseitigen und aufzufressen. Dabei werden alle viralen und tumorösen Antigene aus dem Zellinneren frei, die dendritische Zelle kann sie jetzt erkennen und den T-Zellen präsentieren. Der plötzliche Zelltod ist also ein körpereigener Regulationsmechanismus gegen das Eindringen von Fremdkörpern, der bisher bei der Immunforschung nicht beachtet worden war.
Ein weiterer Regulationsmechanismus des Immunsystems steht im Zentrum der neuen Theorie von Albert und Darnell: Die sogenannten T-Helfer-Zellen, eine andere Gruppe von Immunabwehrzellen, regulieren auch die Aktivität der T-Zellen. Bisher war nur ihre Rolle bei der Produktion von Antikörpern bekannt.
Und so entstand dieser Gedanke: Bisher wussten Wissenschaftler, dass körpereigene Eiweiße, die nur vereinzelt produziert werden, von T-Zellen genau wie häufige Proteine erkannt werden können und keine Immunreaktion auslösen. Dabei gingen die Forscher davon aus, dass der Reifegrad der dendritischen Zelle die Art der Immunantwort bestimmt.
Albert und Darnells fanden jedoch heraus, dass reife dendritische Zellen sowohl T-Zellen aktivieren als auch ungerührt lassen. Also ist der Auslöser für ihre Aktivität nicht der Reifegrad der dendritischen Zellen, sondern ein dritter Mechanismus: Die Forscher benennen die T-Helfer-Zellen als Regulator, der den T-Zellen "sagt", auf welche dendritische Zelle sie reagieren sollen.
Sollte sich die Rolle der T-Helfer-Zellen als Auslöse-"Schalter" bei der Aktivierung von T-Zellen als wahr erweisen, erhoffen sich die Wissenschaftler neue Ansatzpunkte in der Immuntherapie und bei der Bekämpfung von Autoimmunkrankheiten.
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