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Biolumineszenz: Erleuchtet

In der Liebe ist alles erlaubt, auch im Tierreich. Um auf sich aufmerksam zu machen, sind schrilles Quieken, knallbuntes Herumgockeln, ausdruckstarkes Tänzeln, schiere Gewaltanwendung oder kostspielige Präsentübergaben en vogue. Was der Fortpflanzungs-Anbahnung dient, ist also vielgestaltig, kompliziert und aufregend - und der biochemische Apparat dahinter ist es meist nicht minder.
Ein <i>Luciola cruciata</i>-Männchen macht auf sich aufmerksam
Blenden ist alles, als Mitglied einer Reihe von Möchtegern-Vätern, die ein Weibchen bei der Damenwahl gerade mustert. Schließlich bekommt ein besonders ansehnliches Exemplar wahrscheinlich besonders schnell Gelegenheit, seine qualitativ hochwertigen Gen-Anlagen in die nächste Generation zu tragen. Also gilt als männliche Grundregel im Vorspiel-Vorfeld: Immer schön strahlen, wenn Weibchen in der dunklen Nacht offene Augen haben könnten. Oder besser noch: blinken, und das im passenden Rhythmus und der Lieblingsfarbe weiblicher Entscheider. Der Tipp gilt übrigens nicht nur, aber insbesondere für Glühwürmchen.

Was Tiere des Tages an Energie in Protzfarbe, Gefieder und anderem grellen Tütü anlegen, stecken Glühwürmchen des Nachts in ihre Reklame-Beleuchtung. Die ist im Laufe der Evolution mittlerweile zu einem derart komplexen und ausgefeilten molekularbiologischen Gesamtkunstwerk gereift, dass Insektenkundler bis heute immer neue Finessen entdecken. Gerade erst hatten neugierige Bioluminiszenz-Forscher etwa herausgefunden, warum manche Leuchtinsekten auf Freiersfüßen grün, gelbgrün und orange erstrahlen. Genau hier setzten Toru Nakatsu von der Universität Kyoto und seine Kollegen nun noch eins drauf.

Dazu mussten sie allerdings schon tief in die Eingeweide der biochemischen Details eindringen – und auch in die einiger Versuchskäfer. Klar ist natürlich längst das Prinzip des Leuchtvorgangs: Ein Enzymwerkzeug (die Luciferase) modelt ein Leuchtmolekül (das Luciferin) mit Hilfe von Energie (ATP) in ein energiereicheres Zwischenprodukt um. Dieses zerfällt mit Sauerstoff in eine dehydrierte Form des Ausgangsproduktes (Oxyluciferin) und setzt dabei Energie frei – sie strahlt als Licht ab. Der umgebaute Fettkörper der Insekten, in dem die Reaktion abläuft, wird so zum glimmenden Leuchtmittel, das nervenkontrolliert ein- und ausgeknipst werden kann.

Männchen (links) und Weibchen von Luciola cruciata | Die japanische Leuchtkäferart Luciola cruciata (links das Männchen) leuchtet in mutierter Form rot-orange. Ein Aminosäuretausch in der Sequenz des Luciferase-Enzyms ist dafür verantwortlich
Die Aminosäure- zusammensetzung der Luciferase ist dabei allerdings offenbar penibel einzuhalten: Der auch in frei lebenden Mutanten festgestellte Austausch eines einzigen Serin-Restes im Luciferase-Protein ändert die emittierte Lichtqualität der glimmenden Käfer vom althergebrachten grüngelb in neumodisches rotorange. Und während manche Käferdamen dies in freier Wildbahn belohnen, ärgerte sich die Wissenschaftswelt: Warum nur bewirkt eigentlich der Aminosäureaustausch am Werkzeug Luciferase eine abweichende Lichtemission der identisch umgearbeiteten Luciferin-Leuchtmoleküle?

Die Wissenschaftler strebten auf der Suche nach Antworten eine Strukturanalyse des arbeitenden Enzyms, seiner mutierten Form und aller gebundenen Zwischenprodukte an. In der Praxis zermanschten sie dafür zunächst pro Ansatz dreißig Käfer, um aus den darin enthaltenen rund 15 Milligramm Luciferase entscheidende Details zu kristallisieren. Zu Hilfe kam ihnen ein Molekül, das dem Zwischenprodukt der natürlichen Luciferase-Reaktion sehr ähnelt, am Ende jedoch nicht freigesetzt wird. Enzym und Molekül bilden dann einen Komplex, an dem die Proteinform kristallin eingefroren erkennbar wird. Mühevolle Fitzelarbeit folgte, bis sich alle beteiligten Aminosäurereste, Wassermoleküle, funktionellen Gruppen und sonstige Beteiligten aller Zwischenstadien der lichtproduzierenden Enzym-Substrat-Reaktion so detailreich abbilden ließen, dass Nakutsu und Kollegen den mikro-mechanischen Verlauf der Reaktion nachvollziehen konnten.

Licht per Luciferase-Reaktion | Biochemisch handelt es sich bei dem Leuchtvorgang um eine durch Luciferase katalysierte Oxidation unter Verbrauch von Luciferine, langkettige aliphatische Aldehyde. Reduziertes Luciferin (LH2) und Luciferase (E) bilden bei Anwesenheit von Magnesium und ATP unter Abspaltung von Pyrophosphat (PPi) einen Komplex (E-LH2-AMP · Mg). Bei Vorhandensein molekularen Sauerstoffs wird der Kohlenstoff der Aldehydgruppe als Kohlendioxid abgespalten. Der restliche Komplex befindet sich danach in einem angeregten Zustand, welcher durch die Emission eines Lichtquants relaxiert und in Luciferase (E), Oxiluciferin (L) und AMP zerfällt. Die Ausstrahlung des Lichtes vollzieht sich ohne merkliche Temperaturänderung (kaltes Leuchten). Die Effizienz des Umsatzes der chemischen Energie in Licht ist etwa 0,8–0,9 (zum Vergleich: Glühlampe 0,03).
Entscheidend, so ihre Erkenntnis, sind bei den Grüngelb produzierenden Luciferasen interne Verschiebungen eines unpolaren Isoleucinrestes. Dieser klappt mitsamt ein paar anderen Teilen des Enzyms um und schafft nur so eine sehr passgenaue, hydrophobe Tasche um die gebundenen, energiereichen Luciferin-Zwischenprodukte. Diese werden dabei fast ohne Spielraum in eine bestimmte Form gepresst – schnalzt das eingespannte Molekül dann frei, so kann fast sämtliche dabei freigesetzte Entspannungsenergie in Gelblicht umgesetzt werden.

Ähnlich, aber eben nicht ganz so perfekt bei den Orangelicht-Formen. Hier sorgt die Mutation dafür, dass die hydrophobe Hülle sich nicht ganz an das Luciferin-Zwischenprodukt anschmiegen kann. Dieses hat daher mehr Spielraum und weniger Spannung – und kann damit auch weniger Energie in Licht umsetzen, sobald der Griff des Enzyms sich am Ende der Reaktion löst. Resultat: Der am Ende fällige Übergang produziert im Vergleich energieärmeres, ins rot-orange verschobenes Licht.

Der durch Punktmutationen in Luciferase-Genen verursachte Aminosäuretausch hat also insbesondere mechanische Folgen für das Enzym-Getriebe – und damit auf die Leuchtqualität der Käfer. Wobei übrigens energieärmeres Licht durchaus sexy wirken kann, wie Feldforscher auf Jamaika herausfanden: Hier setzt sich offenbar die Orange-Variante der lokalen Glühwürmchenspezies mehr und mehr gegen die fahlgrünen Vertreter durch. Wahrscheinlich weniger aus biochemischen, denn aus verhaltensbiologischen Gründen: Womöglich sehen die Fressfeinde der Leuchtkäfer einfach energiereiches Grellgelb besser als gedimmtes Gelbrot. Ein echter Selektionsvorteil für mutierte Orange-Blinker.

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